FluggastrechteVO Art. 5 Abs. 1 u. 7, Art. 7 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2; BGB §§ 280 Abs. 1, 286
Leitsatz
Das ausführende Luftverkehrsunternehmen muss einem Fluggast, dem ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO zusteht, grundsätzlich auch die Kosten für die vorgerichtliche Geltendmachung des Anspruchs durch einen Rechtsanwalt ersetzen, wenn es die ihm gem. Art. 14 Abs. 2 Fluggastrechte-VO obliegende Informationspflicht verletzt hat (Bestätigung von BGH, Urt. v. 12.2.2019 – X ZR 24/18, NJW 2019, 1373).
BGH, Urt. v. 1.9.2020 – X ZR 97/19
1 Sachverhalt
Der Kläger unternahm zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern eine Flugreise von Köln/Bonn nach Varadero (Kuba) und zurück. Die Flüge, die beide von der Beklagten ausgeführt wurden, hatten eine Ankunftsverspätung von vier bzw. fünfundzwanzig Stunden.
Der Kläger ließ die Beklagte durch vorgerichtliches Anwaltsschreiben wegen der Verspätung des Rückflugs auf Zahlung einer Ausgleichsleistung i.H.v. 2.400,00 EUR in Anspruch nehmen. Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab. Der Kläger klagte daraufhin aus eigenem und abgetretenem Recht auf Zahlung des genannten Betrags zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 334,75 EUR nebst Zinsen.
Das AG hat die Beklagte auf deren Anerkenntnis hin durch Teilurteil zur Zahlung des Hauptsachebetrags verurteilt. Die Klage auf Erstattung der Anwaltskosten hat es durch Schlussurteil abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, der die Beklagte entgegentritt.
2 Aus den Gründen
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und in Abänderung des amtsgerichtlichen Schlussurteils zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Ein Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten bestehe nicht aus §§ 280, 286 BGB. Die Beklagte sei erstmals durch das Anwaltsschreiben zur Leistung aufgefordert worden und habe sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Verzug befunden.
Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 1 und 7 FluggastrechteVO. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob der zweitinstanzliche Vortrag des Klägers, die Beklagte habe ihre Informationspflicht aus Art. 14 FluggastrechteVO verletzt, zulassungsfähig und in der Sache zutreffend sei. Eine Verletzung dieser Pflicht begründe nicht ohne Weiteres einen Anspruch auf Erstattung einer vorgerichtlichen Geschäftsgebühr. Fluggäste müssten nach Art. 14 FluggastrechteVO nicht über ihre Rechte unterrichtet werden, sondern lediglich über die Regeln, nach denen solche Leistungen geltend gemacht werden könnten. Aus Erwägungsgrund 20 der Verordnung ergebe sich nichts Abweichendes. Aus diesen Gründen sei bei einer Verletzung der Informationspflicht allenfalls eine Gebühr für eine Erstberatung i.S.v. § 34 RVG erstattungsfähig, nicht aber eine Geschäftsgebühr.
IV. Die Revision hat auch in der Sache Erfolg.
1. Wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, hat der Senat bereits entschieden, dass das ausführende Luftverkehrsunternehmen einem Fluggast, dem ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO zusteht, grds. auch die Kosten für die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts erstatten muss, wenn es die ihm gem. Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO obliegende Informationspflicht verletzt hat (BGH, Urt. v. 12.2.2019 – X ZR 24/18, NJW 2019, 1373 Rn 6 f.).
Hieran hält der Senat auch im Lichte der vom Berufungsgericht und von der Revisionserwiderung angeführten Gegenargumente fest.
a) Nach Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO hat das ausführende Luftverkehrsunternehmen jedem betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis auszuhändigen, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gem. der Verordnung dargelegt werden. Die Information des Fluggasts dient nach Erwägungsgrund 20 der Verordnung dem Zweck, diesen in die Lage zu versetzen, seine Rechte wirksam wahrnehmen zu können. Da insbesondere die Verpflichtung zur Ausgleichsleistung bei großer Verspätung dem Wortlaut der Verordnung nicht zu entnehmen ist, reicht es zur Darlegung der "Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen" nicht aus, lediglich den Verordnungstext wiederzugeben. Vielmehr muss der Fluggast dem Hinweis jedenfalls klar entnehmen können, unter welchen Voraussetzungen ihm grds. ein Ausgleichsanspruch in welcher Höhe zusteht und unter welchen Voraussetzungen das ausführende Luftverkehrsunternehmen nach Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO von der Verpflichtung zur Ausgleichsleistung frei wird (BGH, NJW 2019, 1373 Rn 7). Ferner muss der Anspruchsgegner jedenfalls dann ausdrücklich angegeben werden, wenn er für den Fluggast nicht ohne Weiteres zu erkennen ist (BGH, Urt. v. 25.2.2016 – X ZR 35/15, NJW 2016, 2883 Rn 22; Urt. v. 25.2.2016 – X ZR 36/15, BeckRS 2016, 7889 Rn 22; Urt. v. 12.9.2017 – X ZR 102/16, NJW 2018, 1251 = RRa 2018, 76 Rn 24; NJW 2019, 1373 Rn 6 f.).
b) Dieser Zweck wird entgegen der Auffassung...