Es wurde bereits früher vom Autor in AGS erörtert, dass die elektronische Antragstellung "streitbar" ist – jedenfalls bis zum 31.7.2021.
Zum 1.1.2018 wurde der elektronische Rechtsverkehr in Anschluss an das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten eröffnet. Seit dem 1.1.2018 können alle Kommunikationspartner der Justiz ihre Schriftsätze elektronisch einreichen. Zulässig ist der elektronische Versand durch die dafür vorgesehenen Kommunikationsmittel.
Beim unmittelbaren Zugang zur Beratungsperson wird man annehmen dürfen, dass mit Zulassung des elektronischen Rechtsverkehres und einer flächendeckenden Einführung der eAkte das Ganze "elektronisch" laufen wird, § 12b Abs. 2 RVG i.V.m. § 14 FamFG. Wichtig dabei ist, dass ein elektronisch eingereichtes Dokument dann entweder eine qualifizierte Signatur nach dem Signaturgesetz (§ 2 Nr. 3 SigG, § 130a Abs. 3 1. Hs. ZPO) enthält oder aber einer der in § 130a Abs. 4 ZPO genannten sicheren Übermittlungswege gegeben ist.
Ob dieser "elektronische Weg" aber überhaupt i.S.d. BerHG eröffnet ist, erscheint zumindest für die Lage bis 31.7.2021 im Nachhinein höchst fraglich (§ 5 BerHG i.V.m. § 14 Abs. 2 FamFG, § 130a ZPO). Durch das Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften (Inkrafttreten zum 1.8.2021) wurde § 130a ZPO erst mithilfe eines unmittelbaren Verweises in den Kanon der anwendbaren Vorschriften aufgenommen. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Was bislang gerade nicht geregelt war, kann auch keine Anwendung finden. Dies ist – aus dieser rückblickenden Perspektive – auch stimmig. Das BerHG erklärt die Bestimmungen des FamFG nur subsidiär für anwendbar, nämlich dann, wenn das BerHG selbst nichts Eigenständiges regelt. So wird aus diesem Aspekt heraus auch im Rahmen der Beratungshilfe bei der Erinnerung argumentiert und hier das Rechtsmittel des BerHG als lex specialis angesehen. Da das BerHG für die Antragstellung ebenfalls eine eigenständige Regelung bietet, verbietet sich "der Gang ins FamFG", mithin bis zum 31.7.2021 auch die Anwendbarkeit des § 130a ZPO. Die Gesetzesbegründung führt daher ebenfalls in diesem Sinne aus:
Zitat
"Gegenwärtig können Anträge auf Beratungshilfe nur mündlich oder schriftlich gestellt werden. Da es sich insoweit um eine ausdrückliche und eigenständige Bestimmung im Sinne des § 5 Satz 1 BerHG handelt, findet § 14 Absatz 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), der für Verfahren nach dem FamFG § 130a ZPO und die auf dessen Grundlagen erlassenen Rechtsverordnungen für entsprechend anwendbar erklärt, anders als andere Verfahrensregelung des FamFG, die nach § 5 Satz 1 BerHG im Verfahren über die Beratungshilfe subsidiär mangels eigener Regelungen entsprechend gelten, nicht anwendbar sein. Der Gesetzesentwurf erachtet es jedoch sinnvoll, dass die von § 4 Absatz 2 Satz 1 BerHG vorgesehene schriftliche Antragstellung unter den Voraussetzungen des § 130a ZPO auch durch eine elektronische Antragstellung ersetzt werden kann. Denn Verfahren, die als sicher genug für die Einreichung von Schriftsätzen bei Gericht angesehen werden, müssen auch als hinreichend sicher für die Einreichung von Beratungshilfeanträgen gelten. Mit der Neuregelung dürfte es dann zulässig sein, dass Rechtsanwältinnen und -anwälte Beratungshilfeanträge, die von ihren Mandanten unterzeichnet wurden, über das besondere elektronische Anwaltspostfach als sicherem Übermittlungsweg im Sinne des § 130a Absatz 4 Nummer 2 ZPO beim Amtsgericht einreichen. Für die Mandanten selbst eröffnen sich dagegen derzeit nur die Möglichkeiten, Anträge im Sinne des § 130a Absatz 3 ZPO qualifiziert elektronisch zu signieren oder die Versandmöglichkeiten über De-Mail im Sinne des § 130a Absatz 4 Nummer 1 ZPO zu nutzen."
Zumindest für den Fall 1 (AG Freudenstadt, s. I. 1.) ist zu sagen, dass das BerH-Verfahren aber nach dem 1.8.2021 von statten ging, sodass mit Aufnahme des § 130a ZPO in die Bestimmung des § 4 BerHG diese Frage beantwortet sein dürfte.
Für den Fall 2 (VerfHG Münster, s. I. 2.) hingegen (Antragstellung vor dem 1.8.2021) hätte man die Frage der nachträglichen Antragstellung auch viel schneller beantworten können, würde man die elektronische Einreichung gem. obiger Ausführungen vor dem 1.8.2021 ablehnen.