1. Anwendbarkeit des § 198 GVG
Das OLG hat wegen nach seiner Ansicht unangemessenen Dauer des Festsetzungsverfahrens für die Pflichtverteidigergebühren der Klägerin in I. Instanz einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung gem. § 198 Abs. 1 GVG bejaht. Die Vorschrift des § 198 GVG gelte auch für Verfahren auf Festsetzung von Kosten und Vergütungen (vgl. OLG Karlsruhe AGS 2019, 556 = RVGreport 2019, 279 = StRR 4/2019, 24 = RVGprofessionell 2019, 44; OLG Zweibrücken NJW 2017, 1328 = AGS 2017, 192; Heine, MDR 2013, 1081, 1084). Dafür spreche bereits die Vorschrift des § 198 Abs. 6 GVG, welche umfassenden Schutz in allen gerichtlichen Verfahren gewähre und keine Beschränkung für bestimmte Verfahrensabschnitte enthalte. Zudem sei auch kein rechtfertigender Grund ersichtlich, warum etwa die Vergütungsfestsetzungsverfahren für Rechtsanwälte von der Entschädigungsregelung ausgenommen werden sollten, zumal eine andere förmliche Rechtsschutzmöglichkeit für einen Anwalt, um die Festsetzung der Vergütung herbeizuführen, nicht bestehe.
2. Unangemessen lange Dauer des Kostenfestsetzungsverfahrens vor dem AG
Das OLG geht von einer unangemessen langen Dauer des Festsetzungsverfahrens aus. Das folge aus den von der obergerichtlichen Rspr. zur angemessenen Verfahrensdauer aufgestellten Grundsätzen (vgl. u.a. BGH NJW 2014, 939; OLG Karlsruhe, a.a.O.).
a) Versäumte Rückforderung der Akten vom Berufungsgericht
Nicht angängig sei die mit der Verfügung vom 5.6.2019 dargestellte Handhabung des AG, das Festsetzungsverfahren bis zur Rückkehr der Akten aus der Berufungsinstanz nicht betreiben zu wollen. Es stehe außer Frage, dass die hier in Rede stehende Verteidigervergütung Teil der Existenzgrundlage eines Rechtsanwalts ist und ihm daher jedenfalls nicht ohne ausreichenden sachlichen Grund zugemutet werden könne, auf eine unbestimmte Zeit auf die Auszahlung der Vergütung warten zu müssen. Dies sei gerade bei Rechtsmittelverfahren, deren Dauer oft nicht abschätzbar sei und die im Einzelfall Jahre andauern können, evident. Zwar habe hier ein Interesse des von dem Strafverfahren betroffenen und erstinstanzlich verurteilten Angeklagten bestanden, den gegen ihn erhobenen Anklagevorwurf und die erstinstanzlich ergangene Verurteilung in angemessener Zeit durch das Berufungsgericht überprüfen zu lassen und eine Klärung herbeizuführen, ob ein und ggfs. welcher Schuldspruch aufgrund der ihm zur Last gelegten Tat gerechtfertigt gewesen sei und welche Konsequenzen dies für ihn haben würde. Dieses Interesse sei dem Vergütungsinteresse der Klägerin vorgegangen und habe daher eine vorrangige Weiterführung des Strafverfahrens grds. rechtfertigen können. Daher sei es grds. nicht zu beanstanden, dass das AG zunächst an die Staatsanwaltschaft versandte, die sie sodann an das LG weiterleitete, obwohl das Festsetzungsverfahren der Klägerin nicht abgeschlossen werden konnte. Aufgrund des damit verbundenen Zeit- und Materialaufwandes könne weiterhin dem AG nicht vorgeworfen werden, zur Durchführung des Festsetzungsverfahrens vor der Aktenversendung kein Aktendoppel erstellt zu haben. Indes seien auch im Rechtsmittelverfahren erfahrungsgemäß Zeiträume vorhanden, in denen das Rechtsmittelgericht die Akten für einen kurzen Zeitraum nicht benötige und an das Ausgangsgericht zurücksenden könne. Daher sei es hier zumutbar und auch geboten gewesen, dass seitens des AG jedenfalls nach Erfüllung der Mitwirkungspflicht durch die Klägerin infolge ihres Schriftsatzes vom 20.9.2019 und damit den einhergehendem Eintritt von Entscheidungsreife über das Festsetzungsgesuch der Klägerin die Akten zeitnah vom LG unter Hinweis auf das laufende Festsetzungsverfahren und die unter Angabe der voraussichtlichen Bearbeitungsdauer zurückgefordert wurden. In dem Fall, dass eine Aktenrücksendung nicht erfolgte, sei die Anforderung binnen angemessener Frist zu wiederholen. Die Entscheidung, ob die Akten für die erbetene Zeit entbehrlich seien, wäre daraufhin von dem zuständigen Dezernenten beim LG zu treffen gewesen und am Stand des Berufungsverfahrens auszurichten. Auch insofern erscheine es zumutbar, dass in dem Fall, dass die Akten nicht entbehrlich seien, vom Rechtsmittelgericht regelmäßig eine Wiedervorlagefrist verfügt werde, nach deren Ablauf eine erneute Prüfung des Rückforderungsersuchens erfolge. Ein derartiges Vorgehen sei seitens des AG schuldhaft versäumt worden, wobei das Fehlen einer Rechtfertigung, die Bearbeitung des Festsetzungsverfahrens für die gesamte, nicht absehbare Dauer des Rechtsmittelverfahrens zurückzustellen, für die zuständige Urkundsbeamtin erkennbar gewesen sei.
b) Zu späte Entscheidung
Eine weitere unangemessene Verfahrensverzögerung stellt das OLG dann nach Rückkehr der Akten an das AG fest. Denn angesichts des Umstandes, dass der am 11.5.2020 dort eingegangene Vergütungsantrag der Klägerin für ihre Pflichtverteidigung in II. Instanz bereits am 29.5.2020 beschieden wurde, fehle es an einem sachlichen Grund, warum zu diesem Zeitpunkt nicht auch eine ...