Nach Auffassung des LG fällt für die Tätigkeiten des Rechtsanwalts als Zeugenbestand nur die Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach 4301 Nr. 4 VV an. Das LG schließt sich der nach seiner Auffassung inzwischen wohl überwiegenden Auffassung in der Rspr. an, nach der von einer Einzeltätigkeit des Zeugenbeistands auszugehen sei (vgl. OLG Dresden AGS 2022, 130 = JurBüro 2022, 78 und die umfänglichen Zitate bei LG Leipzig, Beschl. v. 11.1.2021 – 701 Js 17306/17). Einzuräumen sei, so das LG, dass die historische Auslegung zu dem Ergebnis komme, dass der Gesetzgeber den Beistand gleich dem Verteidiger vergüten wollte und gerade nicht die Vergütung nach Abschnitt 3 des 4. Teils (BT-Drucks, 15/1971, 220 f., 230). Dass die begehrte Klarstellung (BT-Drucks 17/11471, S. 281) im 2. KostRMoG am Bundesrat scheiterte (Stellungnahme des Bundesrates vom 12.10.2012, BR-Drucks 517/12, 91), ändere nichts an der ursprünglichen Intension (anders offenbar OLG Dresden AGS 2022, 130 = JurBüro 2022, 78).
Die ursprüngliche Annahme des Gesetzgebers, dass die Gleichstellung von Verteidiger und Beistand sachgerecht sei, weil die Gebührenrahmen ausreichend Spielraum böten, den konkreten Arbeitsaufwand abzubilden (BT-Drucks 15/1971, 220), habe sich nach Einschätzung der Kammer allerdings nicht bestätigt. Weitaus regelmäßiger als die Opferbegleitung scheine die Beistandschaft heute der Durchsetzung des Schutzes des § 55 StPO zu dienen und sei regelmäßig mit einer Beiordnung verbunden, die nach VV RVG zu einer fixen Gebühr führe, ohne dass die Gebühr dem Aufwand nach aus dem Rahmen entnommen würde. In den meisten Fällen sei die Gleichstellung mit der Vergütung des Verteidigers daher nicht sachgerecht. Insofern sei die bereits zitierte Stellungnahme des Bundesrates vom 12.10.2012, die die begrenzten prozessualen Mittel des Zeugenbeistandes referiert, inhaltlich zutreffend.
Die Kammer könne ihre Auffassung auf den Wortlaut stützen, denn die Vorbem. 4 Abs. 1 des VV unterstelle die Vergütung des Beistandes dem gesamten Teil 4 des VV mithin auch dessen Abschnitt 3. Vergleichbar sei die Tätigkeit des Zeugenbeistandes ihrer Art nach regelmäßig eher mit einer Einzeltätigkeit als dem Wirken als Verteidiger. Es gebe keinen Vorrang der historischen Auslegung vor den anderen Auslegungstopoi.
Die Position der Kammer bleibe (inzwischen) auch innerhalb der Systematik des StPO: Falls die Gebühr nach Nr. 4301 VV wegen hohen Aufwandes (z.B. mehrere Sitzungstage) unangemessen werde, könne eine Pauschgebühr festgesetzt werden. Der Widerspruch zu Vorbem. 5 Abs. 1 VV sei jedenfalls zum 1.1.2021 durch die Angleichung an die Vorbem. 4 Abs. 1 VV entfallen (KostRÄG 2021 v. 21.12.2020; BGBl I, 3229). Die Bundesregierung habe im Gesetzentwurf ausgeführt:
Zitat
"Da der Zeugenbeistand nach § 68b Absatz 2 StPO nur für Dauer der Vernehmung beigeordnet wird, behandelt die herrschende Meinung den beigeordneten Zeugenbeistand vergütungsrechtlich nicht wie Verteidigerinnen und Verteidiger nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG, sondern wie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die in einem Strafverfahren eine Einzeltätigkeit ausüben (Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG)." (BT-Drucks 19/23484, 87).
Weiter heiße es dort:
Zitat
"Die Regelungen in Vorbemerkung 4 Absatz 1 VV RVG und in Vorbemerkung 5 Absatz 1 VV RVG sollen daher angeglichen werden. Im Hinblick darauf, dass die Beiordnung durch § 68b Absatz 2 StPO ausdrücklich auf die Dauer der Vernehmung beschränkt ist, erscheint es sachgerecht, den Zeugenbeistand wie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu vergüten, die keine Verteidiger sind und nur eine Einzeltätigkeit ausüben."
Insoweit könne der Gesetzgeber inzwischen mit der durch die Gerichte gefundenen Auslegung leben.