I. Fragen
1. Fall 1
Der in Hamburg wohnhafte Arbeitnehmer AN klagt vor dem zuständigen ArbG Berlin gegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch seinen Arbeitgeber AG. In dem Rechtsstreit lässt sich der Kläger AN durch den in Berlin wohnhaften und kanzleiansässigen Rechtsanwalt B vertreten. Dieser nimmt sowohl den Gütetermin als auch den Verhandlungstermin vor dem ArbG Berlin wahr. Hierzu fährt Rechtsanwalt B von seiner in Berlin gelegenen Kanzlei zu dem am Magdeburger Platz 1 ebenfalls in Berlin gelegenen Arbeitsgericht 20 km mit dem eigenen Pkw und nach Terminsende wieder in seine Kanzlei zurück. Für das Parken im öffentlichen Straßenraum wendet Rechtsanwalt B Parkgebühren i.H.v. insgesamt 10,00 EUR auf. Der Kläger AN war an keinem dieser Termine anwesend. Das Arbeitsgericht gibt der Klage statt und erlegt dem Beklagten AG die Kosten des Rechtsstreits auf. Durch gesonderten Beschluss setzt das Arbeitsgericht den Streitwert auf 15.000 EUR fest.
a) Welche Gebühren und Auslagen sind Rechtsanwalt B für seine Tätigkeit als Prozessbevollmächtigter angefallen?
b) Besteht Aussicht, jedenfalls einen Teil der außergerichtlichen Kosten des Klägers vom Beklagten erstattet zu erhalten?
c) Auf welche Weise kann erreicht werden, dass dem Kläger AN die gesamten außergerichtlichen Kosten von dem Beklagten erstattet werden?
2. Fall 2
Die Parteien schließen in einem Zivilprozess auf Zahlung von 20.000,00 EUR einen Vergleich. In dessen Ziffer 1 verpflichtet sich der Beklagte, an den Kläger zum Ausgleich der Klageforderung einen Betrag i.H.v. 15.000,00 EUR zu zahlen. In Ziffer 2 haben die Parteien geregelt, dass von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleichs der Kläger ein Viertel und der Beklagte drei Viertel übernehmen. In Ziffer 3 des Vergleichs heißt es:
Zitat
"Mit dem Abschluss dieses Vergleichs sind sämtliche Ansprüche der Parteien untereinander, gleich aus welchem Rechtsgrund, abgegolten."
Aufgrund der Kostenregelung in dem Vergleich beantragt der Kläger die Ausgleichung der Gerichtskosten und seiner außergerichtlichen Kosten entsprechend der im Vergleich vereinbarten Kostenquote. Der Rechtspfleger fordert den Beklagten vergeblich auf, seinerseits seinen Kostenfestsetzungsantrag einzureichen. Schließlich setzt der Rechtspfleger die Kosten des Klägers zu 3/4 ohne Berücksichtigung der Kosten des Beklagten fest.
Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde macht der Beklagte geltend, der Rechtspfleger hätte dem Kostenfestsetzungsantrag des Klägers nicht entsprechen dürfen. Außerdem sei ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers durch die Abgeltungsklausel in Ziffer 3 des Vergleichs ausgeschlossen.
a) War die Verfahrensweise des Rechtspflegers richtig?
b) Greift der Einwand des Beklagten durch?
II. Lösungen
1a) Lösung zu Fall 1 – Frage a)
I. Gebühren des Klägervertreters
Für das Betreiben des Geschäfts kann Rechtsanwalt B nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV die Verfahrensgebühr abrechnen. In welcher Höhe diese Gebühr entstanden ist, ergibt sich aus den einschlägigen Nummern des VV. Nach Nr. 3101 Nr. 1 VV ist dem Rechtsanwalt die 1,3-Verfahrensgebühr bereits für das Einreichen der Klageschrift, später aber auch für die Wahrnehmung der beiden Termine angefallen. Die Wahrnehmung des Gütetermins und des Verhandlungstermins vor dem ArbG Berlin hat nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV die Terminsgebühr ausgelöst. Aus Nr. 3104 VV ergibt sich, dass sie hier mit einem Gebührensatz von 1,2 angefallen ist.
II. Auslagen des Klägervertreters
1. Postentgeltpauschale
Der Anfall der Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV ist relativ unproblematisch, weil Rechtsanwalt B für die Übersendung der Klageschrift und ggf. weiterer Schriftsätze als elektronisches Dokument zumindest ein einziges Postentgelt angefallen ist, was die Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV ausgelöst hat. Dies gilt auch dann, wenn im Büro des Klägervertreters aufgrund eines Flatrate-Vertrages die Aufschlüsselung einzelner Kosten für die Übermittlung der Schriftsätze in diesem Rechtsstreit nicht möglich ist.
2. Fahrtkosten
Angesichts der langen Fahrstrecke von der Kanzlei des Rechtsanwalts B zum Arbeitsgericht könnte man daran denken, dass auch Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV angefallen sind. Dies setzte jedoch nach Vorbem. 7 Abs. 2 VV voraus, dass das Reiseziel (ArbG Berlin, Magdeburger Platz 1) außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet. Diese Voraussetzung ist hier jedoch nicht erfüllt. Sowohl das Reiseziel als auch die Kanzlei des Rechtsanwalts liegen innerhalb derselben Gemeinde, nämlich in Berlin. Dies schließt den Anfall von Fahrtkosten aus.
3. Parkgebühren
Die Parkgebühren gehören nach Nr. 7006 VV zu den sonstigen Auslagen, die dem Rechtsanwalt anlässlich einer Geschäftsreise angefallen sind. Da hier das Reiseziel des Rechtsanwalts B innerhalb der Gemeinde (Berlin) liegt, in der sich seine Kanzlei oder seine Wohnung befindet, liegt schon keine Geschäftsreise vor. Somit werden die Parkgebühren gem. Vorbe...