Bereits durch das KostRÄndG 1994 war die jetzt in 15 Abs. 5 S. 2 RVG enthaltene Regelung in die BRAGO eingeführt worden. Der in § 15 Abs. 5 S. 1 RVG niedergelegte Grundsatz (vormals: § 13 Abs. 5 S. 1 BRAGO) war in vielen Fällen als unbillig angesehen worden. Bis zur Einführung der erweiterten Regelung nach S. 2 konnte der Anwalt bei erneuter Beauftragung nie weitere Gebühren verlangen, obwohl er sich wieder vollkommen neu in die Sache einarbeiten musste. Zum Teil hatte die Rspr. nach Ablauf längerer Zeiträume zwar eine neue Angelegenheit angenommen; eine klare Regelung existierte jedoch nicht. Um hier Klarheit zu erzielen, hatte der Gesetzgeber bereits in § 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO einen Zeitraum von zwei Kalenderjahren festgelegt, nach dessen Ablauf immer eine neue Angelegenheit ausgelöst wird, wenn der Anwalt in der gleichen Sache erneut beauftragt wird.
Liegt also zwischen der Erledigung des ersten Auftrags und der Erteilung des Auftrags, in der gleichen Sache weiter tätig zu werden, ein Zeitraum von mehr als zwei Kalenderjahren, so handelt es sich kraft der Fiktion in § 15 Abs. 5 S. 2 RVG um eine neue Angelegenheit, sodass der Anwalt sämtliche Gebühren erneut verlangen darf.
Gleichzeitig wird auch eine Anrechnung nach Ablauf von zwei Kalenderjahren ausgeschlossen.
Die Zweijahresfrist des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der vorangegangene Auftrag erledigt worden ist.
Nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG muss die vorangegangene Angelegenheit erledigt gewesen sein. Insoweit kann auf die Definition der Erledigung in § 8 Abs. 1 RVG zurückgegriffen werden.
Unzutreffend ist es dagegen, auf die gesamte Fälligkeit der Gebühren des vorangegangen Auftrags i.S.d. § 8 Abs. 1 RVG abzustellen. Diese Rspr. verkennt, dass die Fälligkeit nur in einem Fall an die Erledigung anknüpft, aber auch unter anderen Voraussetzungen eintreten kann, obwohl die Angelegenheit noch nicht erledigt ist, etwa bei Ruhen des Verfahrens, bei Erlass einer Kostenentscheidung etc.
Wird ein Verfahren ausgesetzt, liegt kein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG vor, weil der Anwalt während der Aussetzung weiterhin beauftragt bleibt und weiterhin tätig werden muss. Er muss regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen der Aussetzung noch gegeben sind.
Auch dann, wenn das Ruhen des Verfahrens angeordnet ist, liegt kein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG vor, da der Anwalt während des Ruhens weiterhin beauftragt bleibt und weiterhin tätig werden muss. Er muss regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen des Ruhens noch gegeben sind.
Ebenso fehlt es an einer Erledigung, wenn ein Verfahren lediglich unterbrochen wird. Es liegt auch dann kein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG vor, da der Anwalt während der Unterbrechung weiterhin beauftragt bleibt und weiterhin tätig werden muss. Er muss regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen der Unterbrechung noch gegeben sind.
Norbert Schneider
AGS 2/2015, S. 62 - 64