Leitsatz
- Ein Antrag auf Entscheidung des Verwaltungsgerichts gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss über die Festsetzung der Vergütung des Rechtsanwalts gegen den Mandanten kann nach § 129a ZPO i.V.m. § 11 Abs. 6 S. 2 RVG fristwahrend auch bei jedem Amtsgericht gestellt werden.
- Fehlt in der Rechtsbehelfsbelehrung des Kostenfestsetzungsbeschlusses ein Hinweis auf diese Besonderheit, verlängert sich die zweiwöchige Anrufungsfrist auf ein Jahr (§ 58 Abs. 2 VwGO).
- Die bloße Erhebung einer nicht-gebührenrechtlichen Einwendung hindert die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung nicht, wenn die nicht-gebührenrechtliche Einwendung "aus der Luft gegriffen", also offensichtlich haltlos ist bzw. ohne jeden konkreten tatsächlichen Anhaltspunkt erfolgt (hier: Behauptung, der Rechtsanwalt habe den Prozess vor dem Verwaltungsgericht gestoppt).
VG Darmstadt, Beschl. v. 13.7.2015 – 5 O 714/15.DA
1 Sachverhalt
Die Erinnerungsgegnerin hatte sich gegen den ihr am 7.2.2015 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5.2.2015 am 24.2.2015 an die Rechtsantragsstelle des AG Offenbach am Main gewandt und dort zu Protokoll gegeben:
"Gegen die die erhaltene Kostenrechnung gem. § 11 RVG v. 15.1.2013 des Rechtsanwalts A. mit Schreiben des VG Darmstadt vom 20.1.2015 erhebe ich den Einwand der Schlechterfüllung durch den Rechtsanwalt A. Der Rechtsanwalt A. hat den Prozess vor dem VG gestoppt, da er mich nicht mehr vertreten wollte. Daraufhin hat er mir mehrere Rechnungen geschickt, die ich nicht bezahlen kann. An den Rechtsanwalt sind aber schon mehrere Zahlungen in Höhe von 200,00 – 300,00 EUR erfolgt. Dies ist nach meiner Auffassung zu viel, da der Rechtsanwalt auch immer wieder Geld verlangt hat. Auch meine Mutter ist arbeitslos, sodass auch von dort keine Zahlungen geleistet werden könnten."
Der Erinnerungsführer hatte vorgetragen, den Prozess nicht gestoppt zu haben, sondern lediglich mit Schriftsatz vom 15.1.2015 angezeigt zu haben, die Erinnerungsgegnerin künftig nicht mehr zu vertreten, da kein Kontakt mehr zu ihr bestanden habe. Er habe sogar eine Melderegisterauskunft beim Einwohnermeldeamt eingeholt, um ihren Aufenthalt zu ermitteln. Über den ergangenen Beschluss des VG im parallelen Eilverfahren v. 30.10.2014 habe er die Erinnerungsgegnerin am 12.11.2014 ordnungsgemäß unterrichtet und ihr die möglichen Rechtsbehelfe aufgezeigt. Außerdem sei sie um Zahlung offener Rechnungen und eines neuen Vorschusses von zusammen 1.095,46 EUR gebeten worden, und er habe ihr erläutert worden, dass vor Begleichung der Kostenforderung und einem ausdrücklichen Neuauftrag keine Beschwerde von ihm eingelegt werde. In einem weiteren Schreiben vom 11.12.2014 unterrichtete der Erinnerungsführer die Erinnerungsgegnerin über eine Verfügung im weiter anhängigen Klageverfahren und bat um Bezahlung der Restforderung von 595,46 EUR bis 19.12.2014. Die Erinnerungsgegnerin hatte inzwischen offenbar 500,00 EUR bezahlt.
Mit Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle hob der Kostenbeamte den Kostenfestsetzungsbeschluss v. 5.2.2015 auf. Zur Begründung führte er aus, der Einwand der Erinnerungsgegnerin der Schlechterfüllung, der als Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5.2.2015 zu werten sei, sei abzuhelfen, da die Kostenschuldnerin Einwände erhoben hat, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben.
Gegen den dem Erinnerungsführer am 11.5.2015 zugestellten Beschluss hat der Erinnerungsführer am 13.5.2015 die Entscheidung des Gerichts beantragt. Die Erinnerungsgegnerin hat sich nicht geäußert.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
2 Aus den Gründen
Die Erinnerung ist zulässig, da sie fristgerecht erhoben wurde und der Kostenbeamte ihr nicht abgeholfen hat (§§ 165, 151, 148 VwGO). Über sie hat das Gericht in der Besetzung zu entscheiden, in der es im Hauptverfahren entschieden hat oder noch entscheidet; § 87a Abs. 1 Nr. 5 VwGO ist nicht anwendbar (VG München, Beschl. v. 10.3.2015 – M 24 M 15.30075). Da die Zustimmung der Beteiligten des Ausgangsverfahrens zu einer Entscheidung des Berichterstatters erklärt wurde (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO), entscheidet dieser auch vorliegend.
Die zulässige Erinnerung ist auch begründet, denn der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hätte den Beschl. v. 5.2.2015 nicht aufheben dürfen. Dieser war korrekt erlassen.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Erklärung der Erinnerungsgegnerin jedoch zutreffend als Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss v. 5.2.2015 gewertet.
Zwar war die zweiwöchige Frist zur Anrufung des Gerichts verstrichen, als die Erinnerungsgegnerin das AG Offenbach am Main am 24.2.2015 aufsuchte. Denn die Frist begann am 7.2.2015 mit der Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses an die Erinnerungsgegnerin und endete, da der 21.2.2015 ein Sonnabend war, am Montag, den 23.2.2015 um 24:00 Uhr (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO). Der Vortrag der Erinnerungsgegnerin erfolgte erst einen Tag später nach Ablauf der Antragsfrist.
Die Rechtsbehelfsbelehrung des Kostensetzungsbeschlusses war jedoch n...