Leitsatz
Das gesetzliche Beitreibungsrecht des im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordneten Rechtsanwalts geht einer Pfändung des Kostenerstattungsanspruchs der von ihm vertretenen Partei vor.
BGH, Beschl. v. 11.11.2015 – XII ZB 241/15
1 Sachverhalt
Der Kläger führte gegen die vier Beklagten einen auf Zahlung von Miete gerichteten Rechtsstreit. Den Beklagten zu 1) und 2) wurde für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von "Rechtsanwalt B. und Kollegen" bewilligt. Durch Endurteil wurden dem Kläger die den Beklagten zu 1) und 2) im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten auferlegt. Deren damalige Prozessbevollmächtigte haben für die Beklagten zu 1) und 2) beantragt, die vom Kläger zu erstattenden Kosten auf 6.547,19 EUR Wahlanwaltsvergütung unter Berücksichtigung ausgezahlter Prozesskostenhilfevergütung von 1.968,97 EUR festzusetzen. Später haben sie den Antrag unter Zugrundelegung eines verringerten Streitwerts auf 5.228,51 EUR Wahlanwaltsvergütung reduziert.
Durch Beschluss des AG – Vollstreckungsgericht – wurden aufgrund eines anderweitigen Titels die angeblichen Kostenerstattungsansprüche der Beklagten gegen den Kläger zugunsten der Beteiligten zu 3) gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen. Die Beteiligte zu 3) hat daraufhin die Festsetzung zu ihren Gunsten beantragt.
Daraufhin haben die damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 2) den für die Partei gestellten Kostenfestsetzungsantrag zurückgenommen und gem. § 126 ZPO die Festsetzung der Kosten zu eigenen Gunsten, nämlich der "Rechtsanwälte B. und Kollegen", in Höhe von 5.228,51 EUR abzüglich der durch Prozesskostenhilfe bereits ausgezahlten Kosten beantragt. Durch weiteren Schriftsatz haben sie klargestellt, dass die Kosten allein zugunsten von Rechtsanwalt B. (Beteiligter zu 1) festzusetzen seien.
Das LG hat zugunsten des Beteiligten zu 1) Kosten in Höhe von 3.259,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.7.2006 gegen den Kläger festgesetzt und den weiteren Festsetzungsantrag der Beteiligten zu 3) zurückgewiesen. Das OLG hat der Beschwerde des Klägers hinsichtlich der festgesetzten Umsatzsteuer sowie der – vom Beteiligten zu 1) nicht beantragten – Zinsen stattgegeben und seine weitergehende Beschwerde sowie die Beschwerde der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen. Hiergegen richten sich die zugelassenen Rechtsbeschwerden des Klägers, mit der er eine Reduzierung der von ihm zu erstattenden Kosten auf 104,85 EUR verfolgt, sowie der Beteiligten zu 3), mit der sie eine Festsetzung der Kosten zu ihren Gunsten verfolgt. Im Wege der Anschlussrechtsbeschwerde beantragt der Beteiligte zu 1) die Verzinsung seines festgesetzten Kostenerstattungsanspruchs mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.7.2006 und verfolgt insoweit die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung. Hiergegen erheben der Kläger und die Beteiligte zu 3) gesondert die Einrede der Verjährung und den Verwirkungseinwand.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerden und die Anschlussrechtsbeschwerde sind unbegründet.
Das OLG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Beteiligte zu 1) sei gem. § 126 ZPO aus eigenem Recht berechtigt, die zu seinen Gunsten entstandenen und nicht als Prozesskostenvergütung aus der Staatskasse erstatteten Gebühren – also die Differenz zwischen Wahlanwaltsvergütung und Prozesskostenhilfevergütung – gegen den nach der Kostengrundentscheidung kostenverpflichteten Kläger geltend zu machen. Der Beiordnungsbeschluss sei so zu verstehen, dass der Beteiligte zu 1) persönlich als Prozessbevollmächtigter auf Prozesskostenhilfebasis beigeordnet worden sei. Mit dem Zusatz "und Kollegen" habe lediglich erreicht werden sollen, dass auch eine Tätigkeit der Kollegen des Beteiligten zu 1) im Vertretungsfall abgedeckt sei. Das Tätigwerden von anderen – unterbevollmächtigten – Anwälten in Vertretung des Beteiligten zu 1) stehe nach § 4 BRAGO in der seinerzeit geltenden Fassung weder der Entstehung des Gebührenanspruchs noch dessen Geltendmachung nach § 126 ZPO entgegen.
§ 126 Abs. 1 ZPO gewähre dem beigeordneten Rechtsanwalt ein eigenes, originäres Beitreibungsrecht hinsichtlich der in seiner Person entstandenen Vergütungsansprüche bzw. der hierauf gerichteten Kostenerstattungsansprüche der von ihm vertretenen Partei, aufgrund dessen der beigeordnete Anwalt den Kostenerstattungsanspruch in Höhe seiner nicht aus der Staatskasse erstatteten Gebührenansprüche und Auslagen gegen den kostenverpflichteten Prozessgegner durchsetzen könne. Dem beigeordneten Rechtsanwalt räume § 126 ZPO dabei eine ähnliche Rechtsstellung ein wie demjenigen Gläubiger, dem eine gepfändete Forderung zur Einziehung überwiesen worden sei. Wegen der verstrickungsähnlichen Wirkung des § 126 ZPO stehe dem Beitreibungsrecht des Rechtsanwalts auch nicht die von der Beteiligten zu 3) ausgebrachte Pfändung des Kostenerstattungsanspruchs der obsiegenden Partei entgegen, selbst wenn diese Pfändung – wie hier – bereits vor der Anmeldung des Anspruchs nach ...