Leitsatz
- Grundsätzlich besteht Identität zwischen Klageverfahren und vergütungsrechtlicher Angelegenheit. Veränderungen des Klagegegenstands wie z.B. Verbindungen und Trennungen schlagen sich auch entsprechend im Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts, sei es zu dessen Gunsten sei es zu dessen Ungunsten, nieder. Mit Abweichungen vom Grundsatz der Identität muss behutsam umgegangen werden.
- (Nur) bei besonderen Umständen des konkreten Falls kann sich jedoch eine abweichende Behandlung aufdrängen, etwa, wenn objektiv Zusammengehörendes künstlich aufgespaltet wird oder z.B. in bestimmten Fallkonstellationen bei Individualansprüchen nach dem SGB II.
Bayerisches LSG, Beschl. v. 14.10.2016 – L 15 SF 229/14 E
1 Sachverhalt
Im Klageverfahren vor dem SG, Az.: S 53 AS 1915/10, ging es um die Anrechnung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit auf den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II für mehr als einen Bewilligungszeitraum, verfahrensrechtlich eingekleidet teilweise durch eine endgültige Festsetzung, teilweise durch eine Aufhebungs- und Erstattungsverfügung. Am 12.7.2010 erhob der Kläger über seine Bevollmächtigte, die Beschwerdeführerin, Klage und beantragte PKH. Diesem Antrag wurde vom SG mit gerichtlichem Beschl. v. 30.9.2011 entsprochen; die Beschwerdeführerin wurde beigeordnet.
Die Beschwerdeführerin vertrat auch das weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft des Klägers, seine Ehefrau, als Klägerin im Klageverfahren des SG, Az. S 53 AS 1914/10. Dort war die Anrechnung desselben Einkommens in denselben Zeiträumen streitig, die Erstattungsforderungen richteten sich aber gegen die Ehefrau des Klägers. Auch in diesem Klageverfahren wurde die Beschwerdeführerin als Prozessbevollmächtigte im Rahmen der PKH beigeordnet.
Beide Klagen waren am selben Tag erhoben worden. In öffentlicher Sitzung der Kammer am 5.2.2014, die von 10.45 Uhr bis 11.30 Uhr dauerte, wurden beide Verfahren mit Vergleich beendet.
Am 12.2.2014 beantragte die Beschwerdeführerin, ihre Vergütung wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
250,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
200,00 EUR |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV |
190,00 EUR |
1/2 Reisekosten, Nr. 7003 VV |
16,50 EUR |
1/2 Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 |
10,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
19 % USt, Nr. 7008 VV |
130,44 EUR |
Gesamt: |
816,94 EUR |
Im Verfahren Az. S 53 AS 1914/10 bezifferte sie ihren Vergütungsanspruch in derselben Höhe zuzüglich einer Dokumentenpauschale (Nr. 7000 VV) i.H.v. 109,75 EUR einschließlich darauf entfallender Umsatzsteuer. Die Vergütung wurde im beantragten Umfang (947,54 EUR) bereits erstattet (April 2014).
Die Urkundsbeamtin setzte die zu erstattende Vergütung im hier zugrundeliegenden Verfahren (Az. S 53 AS 1915/10) auf 283,82 EUR fest und legte dabei folgende Gebührenberechnung zu Grunde:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
75,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
60,00 EUR |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV |
57,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Reisekosten, Nr. 7003 VV |
16,50 EUR |
Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 |
10,00 EUR |
19 % USt, Nr. 7008 VV |
45,32 EUR |
Gesamt: |
283,82 EUR |
Dabei berücksichtigte sie durch die parallele Bearbeitung beider Klageverfahren aufgetretene Synergieeffekte. Das Verfahren Az. S 53 AS 1914/10 betreffe die Ehefrau des Klägers, in beiden Verfahren seien identische Schriftsätze eingereicht worden; in der Kanzlei der Beschwerdeführerin seien beide Klagen unter einem Aktenzeichen geführt worden. Im Verfahren Az. S 53 AS 1914/10 sei bereits die Mittelgebühr berücksichtigt worden, daher seien vorliegend Abschläge zu machen. Die Urkundsbeamtin hat auch auf die Entscheidung des BSG v. 2.4.2014 (B 4 AS 27/13 R) verwiesen; hiernach handle es sich bei identischen Sachverhalten verschiedener Personen einer Bedarfsgemeinschaft trotz verschiedener Bescheide um dieselbe Angelegenheit.
Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 8.5.2014 Erinnerung eingelegt; festzusetzen seien 816,94 EUR. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien überdurchschnittlich gewesen. Die Staatskasse hat auf die Rspr. des Bayerischen LSG zur Berücksichtigung von Synergieeffekten verwiesen.
Das SG hat den Kostenfestsetzungsbeschluss insoweit abgeändert, als insgesamt eine Vergütung i.H.v. 342,01 EUR festzusetzen sei. Im Übrigen hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Dabei hat das SG die Klageverfahren Az. S 53 AS 1914/10 und Az. S 53 AS 1915/10 kostenrechtlich als eine Angelegenheit behandelt und ist im Ergebnis zu folgender Kostenaufteilung gekommen:
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bereits in 1914/10 vergütet |
in 1915/10 noch offen |
Verfahrensgebühr, |
313,00 EUR |
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Nr. 3102 VV |
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und Erhöhung gem. |
93,90 EUR |
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Nr. 1008 VV |
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406,90 EUR |
250,00 EUR |
156,90 EUR |
Terminsgebühr, |
250,00 EUR |
200,00 EUR |
50,00 EUR |
Nr. 3106 VV |
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Einigungsgebühr, |
244,00 EUR |
190,00 EUR |
54,00 EUR |
Nr. 1006 VV |
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Reisekosten, |
33,00 EUR |
16,50 EUR |
16,50 EUR |
Nr. 7003 VV |
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Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV |
20,00 EUR |
10,00 EUR |
10,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |