§ 58 RVG erhält folgende Fassung:

 

§ 58 Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen

(3) In Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen, sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der gerichtlichen Bestellung oder Beiordnung für seine Tätigkeit für bestimmte Verfahrensabschnitte erhalten hat, auf die von der Staatskasse für diese Verfahrensabschnitte zu zahlenden Gebühren anzurechnen. Hat der Rechtsanwalt Zahlungen empfangen, nachdem er Gebühren aus der Staatskasse erhalten hat, ist er zur Rückzahlung an die Staatskasse verpflichtet. Die Anrechnung oder Rückzahlung erfolgt nur, soweit der Rechtsanwalt durch die Zahlungen insgesamt mehr als den doppelten Betrag der ihm ohne Berücksichtigung des § 51 aus der Staatskasse zustehenden Gebühren erhalten würde. Sind die dem Rechtsanwalt nach Satz 3 verbleibenden Gebühren höher als die Höchstgebühren eines Wahlanwalts, ist auch der die Höchstgebühren übersteigende Betrag anzurechnen oder zurückzuzahlen.

Geändert worden ist lediglich § 58 Abs. 3 RVG. Hier ist ein neuer S. 4 angefügt worden. Im Übrigen ist die Vorschrift unverändert geblieben.

Anlass der Ergänzung war die Frage, ob § 58 Abs. 3 RVG auch verhindern soll, dass der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Anwalt mehr erhält, als er erhalten würde, wenn er von vornherein als Wahlverteidiger tätig geworden wäre.

Nach einer Auffassung[3] ist in Kauf zu nehmen, dass der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Anwalt in bestimmten Fällen mehr erhält als die Wahlvergütung.

Nach anderer Auffassung ist bei Festsetzung der Vergütung des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Anwalts dagegen zu berücksichtigen, dass er neben den vollen Pflichtgebühren zusammen mit den bereits erhaltenen Zahlungen und Vorschüssen nicht mehr erhält, als ihm als Wahlvergütung zustehen würde.[4] Dafür spreche insbesondere die Regelung des § 52 Abs. 1 S. 2 RVG, wonach die aus der Staatskasse gezahlten Pflichtgebühren auf den Anspruch gegen den Beschuldigten auf Zahlung der Wahlverteidigergebühren anzurechnen sind. Hierdurch soll nämlich erreicht werden, dass der Rechtsanwalt nicht mehr als die Wahlvergütung erhält. Dann kann aber im Rahmen des § 58 Abs. 3 RVG auch nichts anderes gelten.

In dem neuen § 58 Abs. 3 S. 4 RVG wird nunmehr gesetzlich klargestellt, dass unabhängig von der Regelung des § 58 Abs. 3 S. 3 RVG auch unterhalb des Doppelten der Pflichtverteidigergebühren anzurechnen und zurückzuzahlen ist, wenn der Anwalt seine Vergütung in Höhe der Wahlanwaltsvergütung erhalten hat.

 

Beispiel 1: Anrechnung auch bei Erreichen der Wahlanwaltsvergütung

Der Verteidiger nimmt an der Hauptverhandlung vor dem AG teil. Es findet nur ein Termin statt, der jedoch sechs Stunden dauert. Der Verteidiger hat einen Vorschuss in Höhe von 350,00 EUR netto erhalten.

Aus der Landeskasse würde der Pflichtverteidiger jetzt erhalten:[5]

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV  132,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV  220,00 EUR
3. Zuschlag, Nr. 4110 VV  110,00 EUR
Gesamt 562,00 EUR

Das Doppelte (§ 58 Abs. 3 S. 3 RVG) beträgt 1.124,00 EUR.

Die Höchstgebühren des Wahlanwalts betragen:[6]

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV  290,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV  480,00 EUR
Gesamt 770,00 EUR

Nach § 58 Abs. 3 S. 3 RVG würde die Summe von Vorschuss (350,00 EUR) und Vergütung aus der Landeskasse (562,00 EUR) mit 912,00 EUR insgesamt das Doppelte der Pflichtverteidigervergütung (1.124,00 EUR) nicht überschreiten, so dass nichts anzurechnen wäre.

Da aber die Höchstgebühren des Wahlanwalts überschritten sind, ergibt sich eine Pflicht zur Anrechnung aus § 58 Abs. 3 S. 4 RVG in Höhe von:

 
Vorschuss 350,00 EUR
Gebühren aus der Landeskasse 562,00 EUR
./. Höchstgebühren des Wahlanwalts -770,00 EUR
Anrechnungsbetrag 142,00 EUR

Die Landeskasse muss also nur zahlen:

 
Gebühren aus der Landeskasse 338,00 EUR
./. Anrechnungsbetrag -38,00 EUR
Gesamt 300,00 EUR
 

Beispiel 2: Rückzahlungspflicht auch bei Erreichen der Wahlanwaltsvergütung

Wie vorangegangenes Beispiel 1; jedoch werden die 300,00 EUR erst gezahlt, nachdem der Verteidiger mit der Landeskasse bereits abgerechnet hat.

Jetzt führt die Anrechnung dazu, dass der Anwalt zurückzahlen muss.

[2] Änderung durch Art. 8 Abs. 1 Nr. 26.
[3] OLG Hamm JurBüro 1979, 71; Mertens/Stutz, Rn 1134.
[4] OLG Jena AGS 2011, 281 = Rpfleger 2010, 107 = JurBüro 2010, 81 = StRR 2010, 199 = RVGReport 2010, 24; AnwK-RVG/Fölsch/N. Schneider, § 58 Rn 77 f.; Rn 69; Gerold/Schmidt/Burhoff, § 58 Rn 71.
[5] Berechnet nach den neuen Gebührenbeträgen.
[6] Berechnet nach den neuen Gebührenbeträgen.

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