Die Entscheidungen sind zunächst einmal insoweit zutreffend, als es sich in den Fällen subjektiver Klagenhäufung um eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit handelt. Vertritt der Anwalt – sei es auf Aktiv- oder Passivseite – mehrere Kläger, Beklagte oder Streithelfer, so liegt gebührenrechtlich nur eine einzige Angelegenheit vor, solange die Verfahren nicht getrennt werden. Dies ist an sich einhellige Auffassung, sodass es verwundert, dass die Kläger hierüber sinnlose Prozesse geführt haben.
Unzutreffend ist jedoch die Auffassung der Gerichte, der Anwalt könne von jedem Auftraggeber nur den prozentualen Anteil der Vergütung verlangen, der auf ihn nach dem Verhältnis der Einzelstreitwerte zum Gesamtstreitwert entfalle. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 RVG besagt genau das Gegenteil: Der Anwalt kann jeden Auftraggeber insoweit in Anspruch nehmen, als dieser für die Vergütung haften würde, wenn er den Auftrag allein erteilt hätte.
Dass die Anwendung des § 7 Abs. 2 RVG unpraktikabel sei – was gar nicht zutrifft –, rechtfertigt es nicht, die eindeutige gesetzliche Regelung des § 7 Abs. 2 S. 2 RVG zu unterlaufen und "jedenfalls für die streitgenossenschaftliche Vertretung in einem Klageverfahren ist daher von faktischer Teilschuldnerschaft der Mandanten auszugehen."
Entgegen der Auffassung des AG Wetzlar trifft damit jeden Auftraggeber auch das "Insolvenzrisiko", dass ein weiterer Auftraggeber nicht zahlen kann. Tatsächlich handelt es sich aber nicht um ein Insolvenzrisiko. Jeder Auftraggeber trägt ja nur die Vergütung, für die er selbst haftet, also gehaftet hätte, wenn er den Auftrag allein erteilt hätte. Ein Auftraggeber kann sich nicht dadurch der Haftung entziehen, dass er weitere (insolvente) Auftraggeber mit hinzunimmt. Der Auftraggeber wird dadurch auch nicht benachteiligt, da er ja nur auf die Gebühren haftet, für die er ohnehin haften würde, wenn der Auftrag allein erteilt worden wäre.
Beispiel
A B und C beauftragen den Anwalt mit der Durchsetzung ihrer Pflichtteilsansprüche in Höhe von jeweils 10.000,00 EUR.
Der Anwalt kann jeden Auftraggeber nach § 7 Abs. 2 RVG in Höhe einer 1,3-Verfahrensgebühr und einer 1,2-Terminsgebühr aus 10.000,00 EUR in Anspruch nehmen. Wieso soll er sich mit einem Drittel einer 1,3-Verfahrensgebühr und einer 1,2-Terminsgebühr aus 30.000,00 EUR zufrieden geben und im Übrigen das Risiko eingehen auszufallen?
Im Ergebnis sind die Entscheidungen insoweit jedoch zutreffend, da es sich hier in beiden Fällen um Klagen gegen einen Rechtsschutzversicherer handelte, also Klagen auf Freistellung aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag. Insoweit hat der BGH entschieden, dass sich die Deckungspflicht des Rechtsschutzversicherers nicht nach § 7 Abs. 2 RVG richtet, sondern nach dem Verhältnis des versicherten Anteils zu dem nicht versicherten Anteil weiterer Streitgenossen.
Norbert Schneider