Das Bessere ist des Guten Feind! Diesem altbekannten Motto haben sich die Herausgeber und Autoren der nunmehr vorliegenden 7. Aufl. des Anwaltkommentars ganz offensichtlich verpflichtet gefühlt, der mit fast 1.000 Seiten mehr Umfang noch gewichtiger daherkommt als die Vorgänger. Und man kann es vorausschicken: Hier ist wirklich ein großer Wurf gelungen!
Nachdem es dem Anwaltkommentar schon mit den Vorauflagen gelungen war, den Abstand zum Klassiker des anwaltlichen Gebührenrechts, dem Gerold/Schmidt, zu reduzieren, dürfte die Konkurrenzsituation mit der aktuellen Kommentierung zum 2. KostRMoG noch härter ausfallen.
Das Werk lebt davon, dass der Mitherausgeber und Mitautor Norbert Schneider nicht nur ebenso wie manche Mitautoren und Herausgeber von Konkurrenzwerken in die Gesetzgebung mit einbezogen war, sondern man spürt auch, dass hier Einfluss erfolgreich geltend gemacht wurde.
So dürfte die kritische Begleitung der fehlerhaften OLG-Rspr. zu dem in der Tat missverständlich formulierten § 22 Abs. 2 RVG nicht nur auf die richtigstellende BGH-Rspr., sondern auch auf den neuen Gesetzestext Einfluss genommen haben, und dies ist nur ein Beispiel für Feinarbeiten, die an Regelungen vorgenommen wurden, die schon in den Vorauflagen des Kommentars kritisiert und beanstandet worden waren.
Ferner kommt es dem Werk zugute, dass Schneider schon sehr früh, ja eigentlich als Erster, zusammen mit der hinzugewonnenen neuen Autorin Lotte Thiel das 2. KostRMoG im Deutschen Anwaltverlag vorstellen konnte, als noch kein neuer Kommentar auf dem Markt war. Man tritt sicherlich niemandem zu nahe, wenn man behauptet, dass die nach und nach erschienenen Neuauflagen der übrigen RVG-Kommentare ebenfalls hiervon profitieren konnten.
In allen Neuauflagen wird jedenfalls auf den "Schneider/Thiel" gerne verwiesen.
Neben den bereits bekannten und bewährten Autoren konnte man die schon erwähnte Lotte Thiel hinzugewinnen, die sich speziell auf dem Gebiet der Gebührenproblematik im Familienrecht erstaunlich schnell einen Namen gemacht hat. Dies kommt dem Kommentar ebenso zugute wie die bundesweit bekannte Expertise des Fachanwalts für Sozialrecht Martin Schafhausen, der die gravierenden Neuregelungen in den sozialrechtlichen Vorschriften überzeugend, aber auch mit der durchaus notwendigen Kritik vorstellt (vgl. etwa die Kommentierung zu Nr. 3106 Rn 13).
Im Übrigen ist der beachtliche Umfang der Neuauflage darauf zurückzuführen, dass man daran festgehalten hat, die Hintergründe von gesetzlichen Regelungen ebenso umfassend darzustellen wie die praktische Umsetzung anhand von Beispielen übersichtlich erläutert wird.
Seit jeher zeichnet sich der Anwaltkommentar dadurch aus, dass sich dort auch die Lösung für Probleme finden lässt, von denen mancher gedacht haben mag, dass solche gar nicht existieren. Und praktische Probleme aus dem anwaltlichen Alltag werden dort umfassend und mit überzeugender Begründung durchaus kontrovers zu Gegenmeinungen dargestellt, wo andere Kommentare nur kritiklos die Rechtsprechung wiedergeben. So begründeten Onderka/N. Schneider sehr überzeugend, dass die Anzeige der Verteidigungsabsicht auch ohne konkreten Antrag im schriftlichen Verfahren sehr wohl eine volle Gebühr nach Nr. 3101 VV auslösen kann, hindert sie das Gericht doch, gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil zu erlassen, auch wenn dieser ansonsten seine weiteren Erklärungen nicht fristgerecht abgibt (vgl. Nr. 3101 Rn 42).
Besondere Aufmerksamkeit verdient auch die Kommentierung der Übergangsvorschriften in §§ 60, 61 RVG, die sich Norbert Schneider vorbehalten hat, war er es doch, der es im Gesetzgebungsverfahren gerne gesehen hätte, wenn § 60 Abs. 1 RVG im Hinblick auf die eingelegte Berufung verändert worden wäre (vgl. § 60 Rn 14). Und in der Kommentierung zu Vorbem. 2.3 VV wird überzeugend vor Augen geführt, dass die konsequente Umsetzung und Durchsetzung des Anrechnungsmodells nunmehr auch im Verwaltungs- und Sozialrecht keineswegs gebührenrechtliche Vorteile, sondern durchaus spürbare Nachteile mit sich bringt. Da ist es dann eher ein schwacher Trost, dass sich jedenfalls der Kostenerstattungsgläubiger über eine verbesserte Situation aufgrund der Vorschrift von § 15a Abs. 2 RVG freuen kann (vgl. Vorbem. 2.3 Rn. 81 f.). Die Interessen der Rechtsanwälte und der Kostenerstattungsschuldner (auch der Rechtsschutzversicherungen) bleiben durch die Neuregelung eher auf der Strecke. Man kann nur hoffen, dass sich die Anwaltschaft und die mit dem Kostenrecht beschäftigten Teile der Gerichtsbarkeit mit den Neuregelungen schnell und umfassend vertraut machen.
Bereits das Vorwort gibt hier eine gute Übersicht und die jeweils gut lesbare Kommentierung verschafft dem, der sie auch wirklich liest, auf höchst angenehme und unterhaltsame Weise den vertieften Zugang zu den Neuvorschriften, aber auch zu den ebenso wichtigen schon bekannten Regelungen des RVG.
"All in one" ist ein Anspruch, dem der Kommentar auf vortreffliche Art und Weise gerecht wird, der es nicht bei der Kommentier...