Leitsatz
Nimmt die Staatsanwaltschaft ihre Anklage zurück und erhebt sie dann anschließend wegen derselben Taten erneut Anklage, so liegt für den Verteidiger nur eine Gebührenangelegenheit vor.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.4.2014 – 1 Ws 431/13
1 Sachverhalt
Mit Anklageschrift vom 10.3.2011 hatte die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten und einem weiteren Angeschuldigten, die zur Tatzeit mehrere Apotheken betrieben, vorgeworfen, sich des (Abrechnungs-)Betrugs zum Nachteil der gesetzlichen Krankenkasse in 317 (Dr. R.) bzw. 296 (K.) Fällen schuldig gemacht zu haben. Den Angeschuldigten wurde zur Last gelegt, im Zeitraum Mai 2006 bis Ende Juli 2007 gegenüber der Krankenkasse die aufgrund ärztlicher Verordnungen ("Rezepte") an näher bezeichnete Heimbewohner gelieferten Medikamente abgerechnet zu haben.
Mit richterlicher Verfügung vom 3.5.2011 wurde die Zustellung der Anklageschrift unter Einräumung einer vierwöchigen Stellungnahmefrist veranlasst. Sodann fand am 18.8.2011 auf Vorschlag des Vorsitzenden der zuständigen Strafkammer im Zwischenverfahren ein "Vorgespräch" unter Beteiligung der sachbearbeitenden Staatsanwältin und der Verteidiger statt, in dessen Rahmen verschiedene nach Ansicht der Kammer vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens klärungsbedürftige Tatsachen- und Rechtsfragen erörtert wurden. Dabei wurde zum einen Übereinkunft dahin erzielt, dass die Kammer zur Frage der Auslegung des § 6 Abs. 2 S. 3 und 4 des nach § 129 Abs. 2 SGB V geschlossenen Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung Auskünfte der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände sowie verschiedener Krankenkassen-Bundesverbände einholen werde. Zum anderen wies der Vorsitzende darauf hin, dass nach vorläufiger Bewertung der Kammer Rückschlüsse auf die Anzahl der von den Angeschuldigten möglicherweise vorgenommenen Täuschungshandlungen nicht – wie in der Anklageschrift geschehen – unmittelbar aus der Gesamtzahl der gegenüber der Krankenkasse abgerechneten "Rezepte" gezogen werden könnten, da diese nicht einzeln, sondern jeweils einmal im Monat gesammelt zur Erstattung eingereicht worden seien, so dass jeder dieser monatlichen Abrechnungsvorgänge jeweils eine Tathandlung darstelle.
Auf Anregung des Vorsitzenden nahm die Staatsanwaltschaft die Anklage v. 10.3.2011 zurück und reichte unter dem 15.9.2011 eine exakt denselben Lebenssachverhalt betreffende, allein der konkurrenzrechtlichen Bewertung der Kammer angepasste und deshalb im Konkretum nicht mehr nach Patientennamen, sondern nach den Monaten Mai 2006 bis Juli 2007 strukturierte neue Anklageschrift ein, mit der nunmehr dem Angeschuldigten Dr. R. 15 Fälle und der Angeschuldigten K. 13 Fälle des Betruges zur Last gelegt wurden. Mit richterlicher Verfügung vom 21.9.2011 wurde die Zustellung der neuen Anklageschrift – unter Hinweis auf die Rücknahme der ursprünglichen Anklage und die Vergabe eines neuen Gerichtsaktenzeichens (statt 17 KLs 9/11 nunmehr 17 KLs 17/11) – veranlasst und den Angeschuldigten erneut eine Stellungnahmefrist von vier Wochen gesetzt.
Durch Beschl. v. 30.12.2011 lehnte schließlich das LG aus tatsächlichen Gründen die Eröffnung des Hauptverfahrens in Bezug auf beide Angeschuldigten ab und erlegte deren notwendige Auslagen der Staatskasse auf; die hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft verwarf der Senat als unbegründet.
Anschließend beantragte der Angeschuldigte, die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen gegen die Staatskasse festzusetzen. Unter anderem brachte er dabei zweimal die Verfahrensgebühr der Nr. 4112 – einmal für das Verfahren 17 KLs 9/11 und einmal für das Verfahren 17 KLs 17/11 – in Ansatz.
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Rechtspflegerin die dem Angeschuldigten Dr. R. aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen unter Absetzung einer Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV festgesetzt.
Die gegen die Absetzung des Restbetrages erhobene Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Rechtspflegerin ist zutreffend zu der Bewertung gelangt, dass neben der im Verfahren 7 KLs 9/11 mit dem Eingang der Anklageschrift vom 10.3.2011 beim LG angefallenen Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV dieselbe Gebühr nicht noch einmal für das Verfahren 7 KLs 17/11 beansprucht werden kann, weil nur ein Rechtsfall im gebührenrechtlichen Sinne vorliegt.
Zwar verkennt der Senat nicht, dass die Rücknahme der ersten Anklageschrift zur Erledigung des unter dem Aktenzeichen 17 KLs 9/11 geführten gerichtlichen Verfahrens und die Einreichung der zweiten Anklageschrift beim LG Düsseldorf zur Eintragung eines neuen Verfahrens unter dem Aktenzeichen 17 KLs 17/11 sowie zur erneuten Veranlassung der im Zwischenverfahren erforderlichen prozessualen Maßnahmen, insbesondere der Zustellung der neuen Anklageschrift verbunden mit einer Frist zur Stellungnahme, geführt hat. Diese formalen Aspekte führen indes nach Auffassung des Senats nicht ohne Weiteres zum Anfall einer zweiten Gebühr nach Nr. 4112 VV (für den Fall der Rücknahme der ersten und Neueinrechnung einer inhaltsgleichen...