Leitsatz
- Eine vorbereitende Akteneinsicht durch den Anwalt führt nicht zur Entstehung der Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV, wenn die Akteneinsicht ausschließlich zur Beratung dient und es zum Betreiben eines Geschäfts, also zu einer über die Beratung hinausgehenden Tätigkeit, nicht kommt.
- Die Beratungsgebühr gem. Nr. 2501 VV deckt sämtliche mit der Beratung zusammenhängenden Tätigkeiten und damit auch eine vorbereitende Akteneinsicht ab (Anschluss an OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.10.2014 – 12 W 220/14).
OLG Bamberg, Beschl. v. 8.2.2016 – 4 W 120/15
1 Sachverhalt
Der Antragstellerin wurde in der Angelegenheit "Beratung wegen Führerschein (Strafbefehl)" ein Beratungshilfe-Berechtigungsschein mit der Maßgabe erteilt, dass die rechtliche Beratung und – soweit erforderlich – die Vertretung durch einen Rechtsanwalt bewilligt werde und dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts in Straf- und Bußgeldsachen auf die Beratung beschränke. Der Anwalt beriet die Antragstellerin und nahm Akteneinsicht in die Verwaltungsakte der Straßenverkehrsbehörde. Weitere rechtliche Schritte wurden nicht ergriffen."
Der Anwalt beantragte daraufhin die Festsetzung und Auszahlung einer Vergütung von insgesamt 145,18 EUR unter Berücksichtigung u.a. einer Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV in Höhe von 85,00 EUR. Das AG setzte die Vergütung lediglich unter Berücksichtigung einer Beratungsgebühr gem. Nr. 2501 VV von 35,00 EUR auf insgesamt 73,78 EUR fest.
Mit seiner Erinnerung beantragte der Anwalt unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Naumburg vom 14.12.2012 – 2 Wx 66/12, die Festsetzung weiterer 71,40 EUR, weil bereits durch die Beantragung der Akteneinsicht eine Vertretungstätigkeit für die Mandantin entfaltet worden und die Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV in Höhe von 85,00 EUR bereits durch die Akteneinsicht entstanden sei.
Nach Nichtabhilfe durch den Rechtspfleger wies das AG die Erinnerung zurück und ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Beschwerde zu. Die Richterin schloss sich der Ansicht des Rechtspflegers und des Bezirksrevisors an. Sie führte aus, dass die Akteneinsicht noch der Information im Rahmen der Beratung zuzuordnen sei, zumal weitere Aktivitäten vom Anwalt nicht mehr entfaltet wurden. Es wäre auch unbillig, wenn der Anwalt bei sonst gleichem Informations- und Beratungsaufwand allein durch ein Akteneinsichtsgesuch seine Vergütung von 35,00 auf 85,00 EUR steigern könnte.
Gegen diesen zugestellten Beschluss hat der Anwalt Beschwerde eingelegt und beantragt, die Vergütung auf insgesamt 145,18 EUR festzusetzen. Er führte aus, das AG habe verkannt, dass zur Akteneinsicht denknotwendig eine Vertretung erfolgen und eine Tätigkeit nach außen entfaltet werden muss. Der Tatbestand der Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV schließe ausdrücklich die Information ein. Ohne Bedeutung sei, ob es danach zu weiterem Schriftverkehr oder zur Einlegung von Rechtsbehelfen kommt.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
2 Aus den Gründen
1. Die vom AG zugelassene Beschwerde des Anwalts ist zulässig gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG.
Soweit der Anwalt die Beschwerde nicht nur ausdrücklich im eigenen Namen, sondern auch im Namen der Antragstellerin erhoben hat, ist von einem offensichtlichen Versehen auszugehen, da der Vergütungsanspruch ausschließlich dem Beratungshilfe leistenden Anwalt zusteht und nur er (neben der Staatskasse) beschwerdebefugt ist, § 8 BerHG, §§ 44, 56 Abs. 1 RVG.
Zuständig zur Entscheidung ist gem. § 33 Abs. 4 S. 2 RVG, § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG, § 5 BerHG das OLG Bamberg. Gemäß § 33 Abs. 8 S. 2 RVG entscheidet der Senat, nachdem der gem. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG originär zuständige Einzelrichter das Verfahren mit Beschluss vom 1.2.2016 wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache dem Senat übertragen hat.
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Vergütungsfestsetzung ist nicht zu beanstanden.
Die Beantragung und die Einnahme von Akteneinsicht durch den Anwalt führt nicht zur Entstehung der Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV, wenn die Akteneinsicht – wie hier – ausschließlich zur Beratung dient und es zum Betreiben eines Geschäfts, also zu einer über die Beratung hinausgehenden Tätigkeit, z.B. zur Stellung eines Antrags in der Sache selbst oder zum Ergreifen eines Rechtsbehelfs, nicht kommt. Die Akteneinsicht wird dann durch die Beratungsgebühr gem. Nr. 2501 VV abgegolten. Denn die Beratungsgebühr deckt sämtliche mit der Beratung zusammenhängenden Tätigkeiten und damit auch eine vorbereitende Akteneinsicht ab (ebenso OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.10.2014 – 12 W 220/14; vgl. auch Lissner, JurBüro 2013, 564/567 m.w.N.; ähnlich Mayer/Kroiß/Pukall, RVG, 5. Aufl., Rn 1 zu Nr. 2503 VV).
Richtig ist zwar, dass die Akteneinsicht der Information dient und eine Vertretung durch einen Anwalt erfordern kann. Erfolgt diese aber noch im Vorfeld oder im Zuge der Beratung, kommt ihr nicht selbst der Charakter des Betreibens eines Geschäfts zu. Die Akteneinsicht ist dann lediglich "vorbereitende Maßnahme" der Beratung und keine "Vertretung" (Lissner, a.a.O., S. 567). Es macht in Bezug ...