Leitsatz
Wird der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit wegen verschiedener Gegenstände für mehrere Auftraggeber tätig, ist die Erhöhung der Verfahrensgebühr nach dem Wert der jeweiligen gemeinschaftlichen Beteiligung zu berechnen.
OLG Celle, Beschl. v. 6.2.2014 – 2 W 25/14
1 Aus den Gründen
Mit Recht hat das LG angenommen, dass dem Prozessbevollmächtigten der vier Kläger keine Erhöhung der anwaltlichen 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV aus dem Gesamtgegenstandswert von 199.721,00 EUR in Höhe von netto 2.360,80 EUR um 0,9 Gebühren für drei weitere Auftraggeber gem. Nr. 1008 VV zusteht, sondern lediglich die Erhöhung um eine 0,3-Gebühr aus dem Wert von 129.853,00 EUR (netto 452,40 EUR) und eine weitere 0,3-Gebühr aus dem Wert von 49.119,00 EUR (netto 313,80 EUR).
Die Beschwerdebegründung in den Schriftsätzen des Klägers verkennt, dass die Kläger von ihrem Prozessbevollmächtigten zwar in derselben Angelegenheit, jedoch wegen unterschiedlicher Gegenstände vertreten worden sind. Zwar haben sämtliche Kläger den Beklagten auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung wegen Eingehungsbetruges in Anspruch genommen. Mit der Klage wird jedoch nicht die Zahlung von 199.721,00 EUR durch den Beklagten an sämtliche Kläger beansprucht. Vielmehr nehmen die Kläger zu 1) und 2) als Mitgläubiger den Beklagten auf Zahlung von 129.853,00 EUR, die Klägerin zu 3) auf Zahlung von 20.749,00 EUR und die Beklagten zu 3) und 4) als Mitgläubiger auf 49.119,00 EUR in Anspruch. Der Gesetzgeber hat zwar zur Durchsetzung der Gebührendegression in § 22 Abs. 1 RVG die Addition der Werte sämtlicher in der Klage als derselben Angelegenheit geltenden gemachten Gegenstände angeordnet, so dass die Verfahrensgebühr sich nach dem Gesamtwert von 199.721,00 EUR bemisst. Das bedeutet aber nicht, dass die Erhöhung der Verfahrensgebühr gem. Nr. 1008 VV auch nach diesem Wert zu berechnen ist. Nach der Anm. in Abs. 2 der Nr. 1008 VV wird die Erhöhung vielmehr nach dem Betrag berechnet, an dem die Personen gemeinschaftlich beteiligt sind. Nach der herrschenden Auffassung, die von dem Senat geteilt wird, wird zunächst die Verfahrensgebühr ohne Erhöhung nach Nr. 1008 VV aus dem gem. § 22 Abs. 1 RVG zusammengerechneten Wert ermittelt und sodann eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV aus dem Wert der gemeinschaftlichen Beteiligung errechnet (vgl. OVG Nordrhein Westfalen NJW-Spezial 2012, 252 [= AGS 2012, 235]; Schneider/Wolf/Volpert, RVG, 7. Aufl. Nr. 1008 VV Rn 75 m.w.Nachw.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl. VV 1008 Rn 228 ff.). Diese Rechtslage galt auch bereits von Inkrafttreten des 2. KostRMoG, das vorliegend gem. § 60 Abs. 1 RVG noch keine Anwendung findet, weil der unbedingte Auftrag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilt worden ist.
Die abweichende Berechnung der Kläger lässt sich mit dem in Anm. Abs. 2 zu Nr. 1008 VV enthaltenen Gebot der Berechnung der Erhöhung nach dem Betrag der gemeinschaftlichen Beteiligung der Kläger nicht vereinbaren. Danach waren nur die Kläger zu 1) und 2) einerseits und die Kläger zu 3) und 4) andererseits gemeinschaftlich an unterschiedlichen Gegenständen beteiligt, so dass hierfür jeweils nur eine Erhöhung der anwaltlichen Verfahrensgebühr um eine aus dem Gegenstandswert der jeweiligen Beteiligung berechnete 0,3 Gebühr vorzunehmen war.
2 Anmerkung
Das OLG rechnet wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 199.721,00 EUR) |
2.616,90 EUR |
2. |
0,3-Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV (Wert: 129.853,00 EUR) |
501,90 EUR |
3. |
0,3-Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV (Wert: 20.749,00 EUR) |
222,60 EUR |
|
Gesamt |
3.341,40 EUR |
Das Gericht verkennt dabei, dass es keine Erhöhungsgebühr gibt, sondern nur erhöhte Gebühren. Die Vorschrift der Nr. 1008 VV schafft keine eigenständige Gebühr.
Das Gericht verkennt ferner, dass nach § 15 Abs. 2 RVG dieselbe Gebühr in derselben Angelegenheit nur einmal verlangt werden kann. Wenn, dann hätte das OLG Celle also nur eine 0,3-Erhöhrungsgebühr aus dem Gesamtwert (§ 22 Abs. 1 RVG) berechnen dürfen.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 199.721,00 EUR) |
2.616,90 EUR |
2. |
0,3-Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV (Wert: 199.721,00 EUR) |
603,90 EUR |
|
Gesamt |
3.220,80 EUR |
Zutreffend wäre es dagegen, insgesamt nur eine um 0,3 erhöhte Verfahrensgebühr abzurechnen.
1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV (Wert: 199.721,00 EUR) = 3.220,80 EUR
Norbert Schneider
AGS 4/2014, S. 165