Leitsatz
- Der Wert einer Klage auf Räumung und Herausgabe eines Kleingartens bemisst sich nach dem dreieinhalbfachen Jahreswert der vereinbarten Pacht.
- Die Werte einer Klage auf Feststellung des Fortbestands des Pachtverhältnisses und eine Widerklage auf Räumung und Herausgabe sind nicht zusammenzurechnen.
- Nimmt das Gericht irrtümlich an, der Anspruch auf Beseitigung von Bäumen sei mit dem Räumungs- und Herausgabeanspruch abgegolten, wirkt sich dies nicht werterhöhend aus.
BGH, Beschl. v. 26.11.2015 – III ZB 84/15
1 Sachverhalt
Mit ihrer Klage haben die Kläger – als Pächter – beantragt festzustellen, dass die vom beklagten Kleingartenverein ausgesprochene Kündigung das Pachtverhältnis nicht beendet habe. Der Beklagte hat hierauf Widerklage erhoben mit den Anträgen, die Kläger gesamtschuldnerisch zur Räumung und Herausgabe des Kleingartens (Widerklageantrag zu 1) sowie "insbesondere" zur Beseitigung von mehreren Bäumen zu verurteilen, die sich auf dem Kleingartengrundstück befinden (Widerklageantrag zu 2). Das AG hat die Klage abgewiesen und die Kläger auf die Widerklage zur Räumung und Herausgabe des Kleingartens verurteilt; den Widerklageantrag auf Beseitigung der Bäume (Widerklageantrag zu 2) hat es mit der Begründung abgewiesen, dass dem Beklagten hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil sich die Beseitigungspflicht der Kläger bereits aus der Verurteilung zur Räumung und Herausgabe des Kleingartengrundstücks (i.V.m. den Regelungen des Pachtvertrags) ergebe. Die Berufung hat das AG ausdrücklich nicht zugelassen.
Die gegen das Urteil des AG eingelegte Berufung der Kläger hat das LG als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, dass der Wert des Beschwerdegegenstands gem. §§ 8, 9 ZPO lediglich 417,76 EUR (3½facher Betrag der jährlichen Pacht von 119,36 EUR) betrage und somit unterhalb der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (600,00 EUR) liege.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Rechtsbeschwerde.
2 Aus den Gründen
Die nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rspr. eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Wert des Beschwerdegegenstands zutreffend mit 417,76 EUR ermittelt und die Berufung daher zu Recht wegen Unterschreitung der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als unzulässig verworfen.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht für die Ermittlung des Beschwerdewerts auf §§ 8, 9 ZPO abgestellt und hiernach den dreieinhalbfachen Jahrespachtzins zugrunde gelegt.
a) § 8 ZPO findet auch auf Kleingartenpachtverhältnisse i.S.d. Bundeskleingartengesetzes Anwendung (Senatsurteil v. 17.3.2005 – III ZR 342/04, NJW-RR 2005, 867, 868; Senatsbeschl. v. 2.10.2007 – III ZB 47/07, NZM 2008, 461, 462 Rn 6; v. 11.12.2008 – III ZB 53/08, NJW-RR 2009, 775 Rn 8 und v. 17.12.2009 – III ZR 66/09, NJOZ 2010, 1723 Rn 9). Ist das Ende des streitigen Miet- oder Pachtverhältnisses – wie hier – weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, so ist im Rahmen der Wertbemessung gem. § 8 ZPO die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrages entsprechend anzuwenden (Senatsurt. v. 7.3.2005 a.a.O. S. 868 f.; Senatsbeschl. v. 2.10.2007 a.a.O. Rn 7; v. 11.12.2008 a.a.O. u. v. 17.12.2009 a.a.O. m.w.N.).
b) § 8 ZPO erfasst neben Räumungsklagen auch Feststellungsklagen, wobei für diese kein Bewertungsabschlag vorzunehmen ist (s. dazu BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, NJW-RR 2009, 156 f. Rn 7 ff. m.w.N. [= AGS 2009, 183]; vgl. auch Senatsbeschl. v. 17.12.2009 a.a.O. Rn 12).
c) Der Wert der Beschwer der Kläger aus ihrer Verurteilung zur Räumung und Herausgabe des Kleingartens sowie aus der Abweisung ihrer Feststellungsklage sind nicht zu addieren, weil zwischen der Feststellungsklage und der Räumungswiderklage eine wirtschaftliche Identität besteht; es verbleibt daher insgesamt bei dem Wert des dreieinhalbfachen Jahrespachtzinses (s. dazu BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, NJW 1994, 3292 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 13.10.2004 – XII ZR 110/02, NJW-RR 2005, 224).
2. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde sind die voraussichtlichen Kosten für die Beseitigung der Bäume nicht hinzuzurechnen.
a) Der Wert der Beschwer bemisst sich bei einer Verurteilung zur Räumung, die den (Wider-)Beklagten auch dazu verpflichtet, die von ihm angebrachten Einrichtungen und Anpflanzungen auf dem verpachteten Grundstück zu entfernen, allein nach § 8 ZPO. Der Kostenaufwand zur Erfüllung der Räumungspflicht ist nach dem Wortlaut des § 8 ZPO ohne Bedeutung; für die Anwendung von § 3 ZPO neben § 8 ZPO ist insoweit kein Raum (s. Senatsbeschl. v. 29.4.2004 – III ZB 72/03, BeckRS 2004, 04908; BGH, Beschl. v. 13.10.2004 a.a.O. und v. 16.3.2012 – LwZB 3/11, NJW-RR 2012, 1103, 1104 Rn 10, jeweils m.w.N. [= AGS 2012, 349]; s. auch OLG Bremen, Beschl. v. 13.11.2012 – 5 U ...