Die Entscheidung ist zutreffend. Während es in der Zivilgerichtsbarkeit einhellige Auffassung ist, dass sich eine Partei im Falle eines Anordnungs-, Abänderungs- oder Aufhebungsverfahren auf die ihr jeweils günstige Kostenent scheidung berufen kann, haben viele Verwaltungsgerichte das System von Vergütung und Kostenerstattung in diesen Fällen nicht verstanden.
Plastisch bringt das VG Regensburg den Irrtum zum Ausdruck:
Es besteht kein Wahlrecht des Rechtsanwalts, die nur einmal zu fordernde Gebühr schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO oder (erst) in einem nachfolgenden Abänderungsverfahren mit möglicherweise divergierenden Kostenentscheidungen zu verlangen.
VG Regensburg, Beschl. v. 9.10.2015 – RN 2 M 15.50593
Vergütungsberechnung und Kostenerstattung sind auseinanderzuhalten.
I. Die Vergütungsberechnung
Gebührenrechtlich sind einstweilige Anordnungsverfahren und spätere Abänderungs- oder Aufhebungsverfahren gem. § 17 Nr. 4 Buchst. c) RVG gegenüber der Hauptsache selbstständige Angelegenheiten (§ 17 Nr. 4 Buchst. d) RVG). Ein Verfahren nach § 17 Nr. 4 Buchst. c) RVG und ein Abänderungsverfahren nach § 17 Nr. 4 Buchst. d) RVG stellen jedoch nach § 16 Nr. 5 RVG nur eine Angelegenheit dar. Der Anwalt erhält die Vergütung also nur einmal.
Beispiel 1
Gegen einen Bescheid über 10.000,00 EUR erhebt der Anwalt für seinen Mandanten Anfechtungsklage. Gleichzeitig beantragt er die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Das Gericht setzt die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 5 S. 5 VwGO aus. Später beantragt die Behörde, die Aussetzung aufzuheben. Das Gericht gibt dem Antrag ohne mündliche Verhandlung statt. Der Streitwert in beiden Verfahren wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Das Verfahren auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und das Abänderungsverfahren sind nach § 16 Nr. 5 RVG eine Angelegenheit. Die Verfahrensgebühr entsteht insgesamt nur einmal.
Im Anordnungsverfahren ist also folgende Vergütung angefallen:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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261,30 EUR |
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(Wert: 2.500,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
281,30 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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53,45 EUR |
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Gesamt |
|
334,75 EUR |
Im Abänderungsverfahren ist keine weitere Vergütung entstanden.
Möglich ist allerdings, dass im Aufhebungs- oder Abänderungsverfahren weitere Gebühren anfallen, z.B. eine Terminsgebühr.
Beispiel 2
Gegen einen Bescheid über 10.000,00 EUR erhebt der Anwalt für seinen Mandanten Anfechtungsklage. Gleichzeitig beantragt er die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Das Gericht setzt die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 5 S. 5 VwGO aus. Später beantragt die Behörde, die Aussetzung aufzuheben. Das Gericht verhandelt über den Abänderungsantrag und gibt ihm statt. Der Streitwert in beiden Verfahren wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Die Verfahrensgebühr ist bereits im Aussetzungsverfahren entstanden und kann wegen §§ 16 Nr. 5, 15 Abs. 2 RVG im Abänderungsverfahren nicht erneut entstehen. Wohl ist aber eine Terminsgebühr entstanden.
Abzurechnen ist wie folgt:
I. Anordnungsverfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
261,30 EUR |
|
(Wert: 2.500,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
281,30 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
53,45 EUR |
|
Gesamt |
|
334,75 EUR |
II. Abänderungsverfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
261,30 EUR |
|
(Wert: 2.500,00 EUR) |
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|
2. |
1,2-Terminsggebühr, Nr. 3104 VV |
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241,20 EUR |
|
(Wert: 2.500,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
4. |
abzüglich bereits im Anordnungsverfahren abgerechneter |
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– 281,30 EUR |
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Zwischensumme |
241,20 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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45,83 EUR |
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Gesamt |
|
287,03 EUR |
II. Kostenerstattung
Hinsichtlich der Kostenerstattung ist eine andere Betrachtung geboten. Zutreffend hat dies schon das VG Karlsruhe zum Ausdruck gebracht:
Sind im Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und im Verfahren auf deren Änderung oder Aufhebung unterschiedliche Kosten(grund-)entscheidungen ergangen, kann jeder Beteiligte aus der ihm günstigen Kostenentscheidung vom Gegner Kostenerstattung verlangen.
VG Karlsruhe, Beschl. v. 10.7.2015 – A 1 K 13/15
Folgende vier Fallkonstellationen sind ausgehend von Beispiel 2 zu beachten:
(1) Obsiegen im Anordnungsverfahren/Unterliegen im Aufhebungs- oder Abänderungsverfahren
Obsiegt der Antragsteller in Anordnungsverfahren und unterliegt er im Aufhebungs- oder Abänderungsverfahren mit entsprechender Kostenentscheidung, so kann er erstattet verlangen:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
261,30 EUR |
|
(Wert: 2.500,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
281,30 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
53,45 EUR |
|
Gesamt |
|
334,75 EUR |
(2) Unterliegen im Anordnungsverfahren/Obsiegen im Aufhebungs- oder Abänderungsverfahren
Unterliegt der Antragsteller in Anordnun...