RVG VV Nr. 3104; VwGO § 84 Abs. 2 Nr. 5; Verf BB Art. 52 Abs. 3 Alt. 1
Leitsatz
Die Auslegung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV, dass diese Vorschrift in verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur den Fall des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO erfasse und eine Terminsgebühr nicht anfalle, wenn zwar der Gegner, aber nicht die vom Anwalt vertretene Partei zulässigerweise einen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen kann, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
LVerfG Brandenburg, Beschl. v. 15.12.2017 – 48/17
1 Sachverhalt
I. Die Beschwerdeführer hatten beim VG Klage gegen die Ablehnung ihres Asylantrags als unzulässig und die Anordnung ihrer Abschiebung erhoben. Das VG hob den entsprechenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit Gerichtsbescheid auf.
Daraufhin beantragte der Anwalt den Beschwerdeführer mit der Festsetzung seiner Anwaltskosten, darunter auch einer Terminsgebühr für die Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Eine fiktive Terminsgebühr sei nicht entstanden und deshalb zu Recht nicht festgesetzt worden. Denn die Voraussetzungen von Abs. 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3104 VV seien nicht erfüllt. Die Bestimmung erfasse nur Gerichtsbescheide i.S.d. § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO und § 105 Abs. 2 S. 2 SGG, die hier jedoch nicht vorlägen. Der Gesetzgeber habe mit der Einfügung des Hs. "und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann" eine Beschränkung auf diese Fälle des Gerichtsbescheides bezweckt. Dies folge aus der in der Gesetzesbegründung aufscheinenden Regelungsabsicht, den Anwendungsbereich der fiktiven Terminsgebühr auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen ausschließlich ein Antrag auf mündliche Verhandlung gegeben sei. Ein Antrag auf mündliche Verhandlung habe hier jedoch nicht gestellt werden können, weil ein solcher Antrag mangels Beschwer offensichtlich unzulässig gewesen wäre und deshalb auch nicht zu einer mündlichen Verhandlung geführt hätte.
Die Erinnerung sowie eine Anhörungsrüge wies das VG als unbegründet zurück.
II. Mit der Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung des Willkürverbots nach Art. 12 Abs. 1 LV.
Das VG missachte mit seiner Auffassung, dass ein Fall des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vorliege, in krasser Weise, dass es sich bei dem auf den Gerichtsbescheid zulässigen Antrag auf Zulassung der Berufung nicht um ein Rechtsmittel handele, sondern um einen Rechtsbehelf. Die dem angegriffenen Beschluss zugrundeliegende Auslegung des VG führe dazu, dass ein Fall des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO niemals vorliege, da stets entweder die Berufung bzw. Revision zugelassen sei, oder im Falle der Nichtzulassung ein Antrag auf Zulassung der Berufung bzw. Revision gestellt werden könne. Dieses führe dazu, dass die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV niemals anfallen würde.
Dass vorliegend eine mündliche Verhandlung nicht beantragt werden könne, sei unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar. Die vom VG angenommene Einschränkung, dass eine fiktive Terminsgebühr nur für jene Seite anfalle, die durch den Gerichtsbescheid beschwert sei, weil durch die obsiegende Seite eine mündliche Verhandlung nicht zulässig beantragt werden könne, sei durch den Wortlaut des Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV nicht gedeckt. Die Auslegung des VG stelle eine krasse Missdeutung des Inhaltes dieser Norm dar.
Das LVerfG hat die Beschwerde zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
Das VG führt für seine Entscheidung, dass eine fiktive Terminsgebühr zugunsten der Beschwerdeführer nicht berücksichtigt werden könne, an, dass die Voraussetzungen von Abs. 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3104 VV aus zwei Gründen nicht erfüllt seien. Weder sei ein nicht mit Rechtsmitteln angreifbarer Gerichtsbescheid, wie er hier erforderlich sei, ergangen, noch habe durch die Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung beantragt werden können.
Jedenfalls hinsichtlich des ersten Arguments des VG ist ein Verstoß gegen Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV, anhand dessen als speziellerer Norm das Verfassungsgericht die Willkürrüge bezogen auf gerichtliche Verfahren prüft (vgl. Beschl. v. 19.5.2017 – VfGBbg 2/16 – u. v. 15.6.2017 – VfGBbg 50/16, www. verfassungsgericht.brandenburg.de), nicht festzustellen.
Eine gerichtliche Entscheidung verstößt gegen das Willkürverbot, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Bewertungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint (std. Rspr., vgl. Beschl. v. 17.9.1998 – VfGBbg 18/98, LVerfGE 9, 95, 100, v. 15.3.2013 – VfGBbg 42/12, v. 16.1.2015 – VfGBbg 47/13 u. v. 17.4.2015 – VfGBbg 56/14, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
Diese Voraussetzungen sind im Ergebnis nicht gegeben, denn die Entscheidung ist jedenfalls nicht unvertretbar.
Die Beschwerdeführer stellen den Ausgangspunkt des VG, Abs. 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3104 VV erfasse nur Gerichtsbescheide i.S...