Leitsatz
Für ein Beschwerdeverfahren in Rahmen eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens fallen keine gesondert abrechnungsfähigen Gebühren an, weil die Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Beschwerdeverfahren durch die jeweilige Verfahrensgebühr (mit)abgegolten werden.
AnwG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 11.3.2014 – LAG 1/10
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer hatte als Pflichtverteidiger den betroffenen Anwalt in einem anwaltsgerichtlichen Verfahren vertreten. Der AnwGH hatte den betroffenen Rechtsanwalt gem. § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO aus der Rechtsanwaltskammer ausgeschlossen. Hiergegen legte er Berufung ein.
Nachdem in anderer Sache durch Beschluss des BGH ein Widerruf der Zulassung in Bestandskraft erwachsen war, stellte der für die Berufung zuständige Senat des AnwGH das Verfahren gem. § 116 BRAO, 206a StPO, 139 Abs. 3 Nr. 3 BRAO ein und legte dem betroffenen Rechtsanwalt gem. § 197 Abs. 1 u. 2 BRAO die Kosten des Verfahrens auf.
Nachdem der betroffene Rechtsanwalt erneut zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden war, beantragte die Generalstaatsanwaltschaft beim AnwGH, den Beschluss über die Einstellung des Verfahrens aufzuheben und das Verfahren fortzusetzen. Der AnwGH wies den Antrag zurück. Die Generalstaatsanwaltschaft legte hiergegen sofortige Beschwerde ein. Die sofortige Beschwerde wurde als unzulässig verworfen. Die durch das Rechtsmittel entstandenen Gerichtskosten wurden der Staatskasse, die gerichtlichen Auslagen und die dem Rechtanwalt entstandenen notwendigen Auslagen der Rechtsanwaltskammer auferlegt.
Der Verteidiger beantragte daraufhin die Festsetzung einer weiteren Pflichtverteidigervergütung für das Beschwerdeverfahren, und zwar einer Gebühr nach Nr. 6211 VV zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer.
Das AnwG hat den Antrag zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen
Die vom Verteidiger zur Festsetzung angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 6211 VV betrifft den dritten Rechtszug. In einem dritten Rechtszug ist der Verteidiger aber nicht tätig geworden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hatte den Versuch unternommen, das Berufungsverfahren, also die zweite anwaltsgerichtliche Instanz, durch den AnwGH fortführen zu lassen. Dies lehnte der AnwGH ab; die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde durch den BGH verworfen. Damit handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren in Rahmen der zweiten gerichtlichen Instanz. Ein solches Beschwerdeverfahren stellt keine besondere Angelegenheit i.S.d. § 18 Nr. 5 RVG dar; für die Tätigkeit fallen keine gesondert abrechnungsfähigen Gebühren an, weil die Tätigkeiten des Rechtsanwalts grundsätzlich durch die jeweiligen Verfahrensgebühren (mit)abgegolten werden (vgl. hierzu u.a. Burhoff, Die Abrechnung von Beschwerden in Straf- und Bußgeldsachen, RVGreport 2012 12 mit Verweis auf BGH NJW 2009, 2682 u.a.).
Ob ein etwaiger Mehraufwand durch das Beschwerdeverfahren nach der Differenztheorie gebührenrechtliche Auswirkungen gehabt haben könnte, ist vorliegend nicht zu entscheiden, da beigeordnete Pflichtverteidiger keine Betragsrahmengebühren, sondern aufwandsunabhängige Festgebühren abzurechnen haben.
Entnommen von www.burhoff.de
3 Anmerkung
Soweit das Gericht auf § 18 Nr. 5 RVG abgestellt hat, beruht dies offenbar darauf, dass das Gericht noch mit einer überholten Gesetzesfassung arbeitet. Richtig hätte es lauten müssen § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG. In der Sache wäre aber auch dies falsch gewesen, da § 18 Nr. 5 a.F. = § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG n.F. nichts mit Verfahren nach Teil 6 VV zu tun hat, sondern kraft seines ausdrücklichen Wortlauts nur für Verfahren nach Teil 3 VV gilt.
Für Verfahren nach den Teilen 4 bis 6 VV ist zwischenzeitlich durch das 2. KostRMoG in § 19 Nr. 10a RVG ausdrücklich geregelt, dass solche Beschwerdeverfahren keine gesonderte Vergütung auslösen.
§ 19 Rechtszug; Tätigkeiten, die mit dem Verfahren zusammenhängen
(1) Zu dem Rechtszug oder dem Verfahren gehören insbesondere
10a. Beschwerdeverfahren, wenn sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 des Vergütungsverzeichnisses richten und dort nichts anderes bestimmt ist oder besondere Gebührentatbestände vorgesehen sind …
Norbert Schneider
AGS 5/2014, S. 222