Leitsatz
Vertritt sich ein Anwalt als Betroffener in einem Bußgeldverfahren selbst, kann er keine Kostenerstattung nach den Vorschriften des RVG verlangen.
LG Potsdam, Beschl. v. 9.1.2014 – 24 Qs 151/13
1 Sachverhalt
Das gegen den Betroffenen, einen Rechtsanwalt, geführte Bußgeldverfahren hatte das AG gem. § 47 Abs. 2 OWiG auf Kosten der Landeskasse, der auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen auferlegt wurden, eingestellt. Einen Verteidiger hatte der Betroffene nicht beauftragt.
Anschließend machte der Betroffene für seine in eigener Sache entfaltete Tätigkeit Gebühren und Auslagen nach dem RVG geltend und beantragte, den Gesamtbetrag von 285,60 EUR gegen die Staatskasse festzusetzen und zu erstatten. Dabei brachte er eine Grundgebühr (Nr. 5100 VV), eine Verfahrensgebühr (Nr. 5103 VV) sowie eine Postentgeltpauschale (Nr. 7002 VV) in Ansatz. Zudem bat er um Mitteilung, ob er diese Kosten gegebenenfalls (auch) als Verdienstausfall bzw. sonstige Auslagen geltend machen könne.
In der Folge wies ihn die Rechtspflegerin des AG auf eine fehlende Verpflichtung der Staatskasse zur Erstattung der Rechtsanwaltsvergütung sowie auf eine lediglich im Rahmen der Vorschriften des JVEG bestehende Erstattungspflicht und deren Voraussetzungen hin und regte eine Überprüfung bzw. Berichtigung des Kostenfestsetzungsantrags an; der Betroffene teilte daraufhin mit, er könne seinen Antrag nicht zurücknehmen.
Des AG hat den Kostenfestsetzungsantrag des Betroffenen zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Rechtsanwalt könne in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht sein eigener Wahlverteidiger sein, weshalb ihm kein Gebührenanspruch zustehe. Eine Erstattung von Verdienstausfall oder sonstigen Auslagen komme nicht in Betracht, da der Betroffene keine Abrechnung nach dem JVEG eingereicht und auch einen Verdienstausfall nicht nachgewiesen habe.
Hiergegen hat der Betroffene sofortigen Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, als Rechtsanwalt könne er auch im Falle des Tätigwerdens in eigener Sache die Gebühren und Auslagen geltend machen, die ihm im Falle der Vertretung eines Dritten zustehen würden. Es gehe hierbei nicht um eine Tätigkeit des Betroffenen als "Verteidiger", sondern allein um den Zeitverlust, der in der Beschäftigung mit der Angelegenheit eingetreten sei. Der "fundamentale Unterschied" zwischen dem Ordnungswidrigkeitenrecht und dem Strafrecht sei nicht berücksichtigt worden. Es hätte überdies nahegelegen, dem Betroffenen seine Einkommensverluste nach anderen gesetzlichen Regelungen auszugleichen und hierzu seinen Antrag umzudeuten. Außerdem hätten ihm konkrete Hinweise zur Anpassung seines Antrags erteilt werden müssen.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
a) Zu Recht hat die Rechtspflegerin des AG eine Festsetzung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gebühren und Auslagen abgelehnt. Denn für die Verteidigung in eigener Sache erhält der Rechtsanwalt als Betroffener eines Bußgeldverfahrens, für das gem. §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG die Regelungen der StPO sinngemäß gelten, keine Gebühren erstattet.
aa) Zwar gehören zu den notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers, die nach der Auslagenentscheidung des AG die Landeskasse zu tragen hat, gem. § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Die Verweisung in § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO auf § 91 Abs. 2 ZPO kann allerdings – entgegen einer früher teilweise vertretenen und offenbar auch vom Beschwerdeführer favorisierten Ansicht (vgl. OLG Frankfurt NJW 1973, 1991; LG Wuppertal NJW 1975, 2309; LG Mainz NJW 1979, 1897) – nicht dahin verstanden werden, wegen des Wortlauts der Regelung des § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO (danach sind dem Rechtsanwalt in eigener Sache die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte) stehe ein anwaltlicher Gebührenanspruch auch einem sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt zu. Dabei wird nämlich übersehen, dass nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO der in eigener Sache am Straf- oder Bußgeldverfahren beteiligte Rechtsanwalt kostenrechtlich nur dann wie ein im Verfahren durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertretener Beteiligter behandelt werden soll, wenn er die Aufgaben, die das Verfahrensrecht einem bevollmächtigten Rechtsanwalt zuweist, aufgrund eigener Sachkunde selbst wahrgenommen hat und nach dem Strafprozessrecht auch wahrnehmen durfte (BVerfG NJW 1980, 1677; NJW 1994, 242).
Dies ist jedoch bei der Selbstverteidigung in einem Straf- oder Bußgeldverfahren – anders als im Zivilprozess, in dem § 78 Abs. 4 ZPO dem Rechtsanwalt die Möglichkeit der Selbstvertretung eröffnet – nicht der Fall. Nach übereinstimmender Ansicht in Rspr. und Schrifttum ist es nicht zulässig, dass der Rechtsanwalt in dem von der StPO und dem OWiG gebrauchten Sinne sein eigener Verteidiger sein kann (BVerfG NJW 1980, 1677; NJW 1998, 2205; LG Nürnberg-Fürth NJW 1973, 913; LG Zweibrücken Rpfl...