Leitsatz
Eine durch eine Rechtsschutzversicherung erklärte Rechtsschutzzusage kann nachträglich nur noch aus Gründen widerrufen werden, die im Zeitpunkt der Erteilung der Zusage bekannt oder jedenfalls ohne Weiteres erkennbar waren. Damit scheidet ein Widerruf wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung bei unveränderter Sach- und Kenntnislage aus.
OLG Frankfurt, Urt. v. 23.6.2015 – 10 U 233/13
1 Sachverhalt
Der Kläger hat von dem Beklagten Rechtsschutz für eine Klage gegen seine Arbeitgeberin wegen einer altersdiskriminierenden Urlaubsregelung im Manteltarifvertrag verlangt. Der Beklagte hat dem Kläger erklärt, ihm wegen seines Rechtsschutzantrages Rechtsschutz zu gewähren. Mit späterem Schreiben hat er die Rechtsschutzzusage widerrufen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Soweit in der Berufungsinstanz noch von Bedeutung, hat es dies darauf gestützt, dass sich dem Antrag auf Gewährung von Rechtsschutz und der Zusage der Gegenstand der Rechtsschutzzusage nur dahin entnehmen lasse, dass dieser in der Durchsetzung des Urlaubsanspruchs bestehen soll. Dem Rechtsschutzantrag lasse sich nur entnehmen, dass es um einen Urlaubsanspruch aufgrund unwirksamer tarifvertraglicher Bestimmungen gehen solle. Die Rechtsschutzzusage enthalte hierzu auch keine weiteren Ausführungen. Dies führe aber nicht dazu, dass das weiteste Verständnis des Rechtsschutzbegehrens gedeckt sei. In dem Rechtsschutzantrag sei das beabsichtigte Klagebegehren nicht angegeben, insbesondere nicht, ob aus der Unwirksamkeit der Bestimmungen des Manteltarifvertrages Rechtsfolgen nur für die Zukunft oder auch für die Vergangenheit hergeleitet und auf welche Rechtsfolgen die beabsichtigte Klage gerichtet werden sollen. Die Rechtsschutzzusage könne vor diesem Hintergrund vor allem als verbandspolitische Handlung verstanden werden, die zwar auch zugunsten des Klägers eine grundsätzliche Bindung an die geäußerte Absicht zur Rechtsschutzgewährung entfalte, jedoch die konkrete Entscheidung über ein konkretes Klagebegehren nicht enthalte. Ein Anspruch auf Rechtsschutzgewährung für das im Rahmen dieses Rechtsstreits konkretisierte Rechtsschutzbegehren in Form der Durchsetzung nicht gewährten Mehrurlaubs seit 2001 bestehe nicht. Der Beklagte sei aufgrund seiner Rechtsschutzordnung nicht zur Rechtsschutzgewährung verpflichtet. Auch eine Ermessensreduzierung auf Null ergebe sich nicht, da der Beklagte auch verpflichtet sei, verbandspolitische Interessen wahrzunehmen.
Das LG hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
In der Sache hat das Rechtsmittel, mit dem der Kläger nur Deckung für die gerichtlichen (nicht auch die außergerichtlichen) Kosten verlangt, Erfolg.
Die Feststellungsklage ist zulässig. Ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO besteht, da der Beklagte einen Anspruch des Klägers bestreitet. Das festzustellende Rechtsverhältnis ist auch ausreichend konkret beschrieben.
Die Rechtsschutzzusage vom 18.5.2012 ist ausreichend konkret auf einen Rechtsstreit des Klägers gegen X auf Durchsetzung eines Anspruchs auf Mehrurlaub wegen Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Beschränkung auf Mitarbeiter mit höherem Lebensalter gerichtet. Dabei ist eine Klage auf nachträgliche Gewährung des in der Vergangenheit nicht gewährten Urlaubs eingeschlossen. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Rechtsschutzantrages und der Rechtsschutzzusage, zum anderen aber aus der eigenen Stellungnahme des Beklagten vom 2.7.2012. Dort antwortet der Beklagte auf das Schreiben des anwaltlichen Vertreters des Klägers vom 28.6.2012, mit dem dargestellt wurde, dass der Kläger eine Zahlungsklage wegen des nicht gewährten Urlaubs in der Vergangenheit erheben will. Der Beklagte widerspricht nicht etwa mit der Begründung, die Rechtsschutzzusage umfasse eine solche Klage nicht, sondern weist allein darauf hin, dass sich diese auf eine gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts beschränke Aufgrund der Rechtsschutzzusage hat der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf Rechtsschutz gem. der Rechtsschutzordnung erworben. Während die Gewährung des Rechtsschutzes gem. § 4 (7) im freien Ermessen des Beklagten steht, erlangt der Berechtigte nach Erteilung der Zusage gem. § 10 (4) S. 1 einen Rechtsanspruch. Soweit § 10 (5) bestimmt, dass ein konkreter Anspruch aus einer Rechtsschutzzusage auf Kostenerstattung für den Berechtigten erst mit Vorlage eines qualifizierten Nachweises entsteht, betrifft dies nicht den Anspruch auf Rechtsschutz dem Grunde nach, sondern nur die Fälligkeit einer konkreten Zahlungsforderung.
Der Beklagte kann die Rechtsschutzzusage nur gem. § 13 (2) der Rechtsschutzordnung oder nach allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen widerrufen. Die Voraussetzungen dafür liegen jedoch nicht vor.
Der Beklagte beruft sich darauf, dass die Rechtsverfolgung durch den Kläger offensichtlich aussichtslos erscheine und damit das Widerrufsrecht nach § 13 (2) bestehe. Dies kann der Beklagte aber nur in beschränktem Umfang geltend machen. Jedenfalls solche Gründe, die ihm schon zum Zeitpunkt der Rechtsschu...