Leitsatz
Wegen der besonderen Schwierigkeit des Abstammungsverfahrens ist im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht nur hinsichtlich des Antragstellers, sondern auch für die weiteren Beteiligten regelmäßig eine Anwaltsbeiordnung geboten (Fortführung von Senatsbeschl. v. 13.6.2012 – XII ZB 218/11, FamRZ 2012, 1290 [= AGS 2012, 475]).
BGH, Beschl. v. 27.1.2016 – XII ZB 639/14
1 Sachverhalt
Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist die Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts für die am Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft beteiligte Mutter (Beteiligte zu 2).
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind getrennt lebende Ehegatten. Der Beteiligte zu 1) hat die Vaterschaft zu dem während der Ehe geborenen minderjährigen Kind N. angefochten. Das FamG hat der Beteiligten zu 2) Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Die Beiordnung ihrer Rechtsanwältin hat es abgelehnt, weil dies weder aus objektiven noch subjektiven Gesichtspunkten erforderlich sei. Das OLG hat die Beschwerde der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der sie den Antrag auf Beiordnung weiterverfolgt.
Das Amtsgericht hat inzwischen in der Hauptsache entschieden und festgestellt, dass der Beteiligte zu 1) nicht der Vater des Kindes ist.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Nach Auffassung des OLG ist ein Rechtsanwalt nur beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch diesen erforderlich erscheint. Allein die existenzielle Bedeutung der Sache könne nach dem seit 1.9.2009 geltenden Verfahrensrecht die Beiordnung nicht mehr begründen. Im vorliegenden Fall sei die Beteiligte zu 2) auch nicht Antragstellerin, so dass sich die Notwendigkeit der Beiordnung nach den Umständen des Einzelfalls richte.
Das nicht kontradiktorisch geführte Vaterschaftsanfechtungsverfahren habe für die Beteiligte zu 2) keine besonderen Schwierigkeiten aufgewiesen. Die Beteiligten hätten bereits vorgerichtlich einvernehmlich ein Abstammungsgutachten eingeholt, welches die biologische Vaterschaft des Beteiligten zu 1) ausschließt. Die Beteiligte zu 2) habe sich der Anfechtung auch nicht entgegengestellt. Soweit sie geltend mache, es sei Aufgabe ihrer Verfahrensbevollmächtigten gewesen, in Vorbereitung ihrer Antragserwiderung den Tatsachenvortrag, insbesondere die Anfechtungsfristen, zu prüfen und zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie dem Vorbringen des Beteiligten zu 1) zustimme, bestünden im vorliegenden Einzelfall keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ihre Entscheidung, dem Antrag zuzustimmen, von der Prüfung der Anfechtungsfristen abhängig gemacht habe. Vielmehr habe es offenkundig in ihrem Interesse gelegen, die Vaterschaft zu ihrer Tochter zu klären, nicht aber dem Anfechtungsantrag des rechtlichen Vaters aus "formalen Gründen" entgegenzutreten. Da sie den Beteiligten zu 1) von seiner möglichen Nichtvaterschaft unterrichtet und freiwillig an der Einholung eines Gutachtens mitgewirkt habe, sei ihr Interesse dem des Beteiligten zu 1) nicht entgegengerichtet gewesen. Weil das Privatgutachten einvernehmlich verwertet worden sei, sei auch die Notwendigkeit der Prüfung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens entfallen. Die Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage, wer das minderjährige Kind vertreten könne, seien vor allem beim Kind selbst verortet und damit gegebenenfalls bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts für dieses, nicht aber hier zu berücksichtigen.
Anders als der Antragsteller hätten die weiteren Beteiligten eines Vaterschaftsanfechtungsverfahrens nicht die Hürde des schlüssigen Vortrags und der strengen Beweisanforderungen zu nehmen. Auch der Prüfung, ob der Antragsteller den strengen Voraussetzungen gerecht geworden sei, bedürfe es in einem einvernehmlich geführten Verfahren nicht. Dem Interesse der Beteiligten zu 2) sei schon damit gedient gewesen, dass sie dem Antrag des Beteiligten zu 1) nicht entgegentrete oder diesem zustimme. Dazu allein habe sie keiner anwaltlichen Vertretung bedurft.
Dass der Beteiligte zu 1) anwaltlich vertreten gewesen sei, führe ebenfalls nicht ohne Weiteres zur Notwendigkeit der Beiordnung. Der Gesetzgeber habe bei der gesetzlichen Neuregelung in § 78 Abs. 2 FamFG bewusst den in § 121 Abs. 2 Alt. 2 ZPO zum Ausdruck gekommenen Grundsatz der Waffengleichheit nicht übernommen. Auch eine Notwendigkeit, in besonderem Maße ihre Intim- oder Privatsphäre zu offenbaren, sei für die Beteiligte zu 2) infolge der gleichgerichteten Interessen "beider Beteiligter" nicht zu befürchten gewesen.
Anhaltspunkte für eine Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung aufgrund besonderer subjektiver Umstände lägen nicht vor.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Gem. § 78 Abs. 2 FamFG wird einem Beteiligten, wenn eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen ...