Leitsatz
- Die Bezeichnung als "Honorarvereinbarung” genügt den Anforderungen des § 3a Abs. 1 S. 1 RVG."
- Tritt ein in einer Rahmenvergütungsvereinbarung vorgesehenes Zeithonorar, welches auch künftige Prozessvertretungen erfasst, an die Stelle der Abrechnung nach dem RVG, scheidet ein Verstoß gegen § 49b Abs. 1 BRAO (Gebührenunterschreitung) aus, wenn aus der vorausschauenden Sicht des Rechtsanwalts beim Abschluss der Rahmenvereinbarung die danach geschuldete Vergütung nicht hinter den gesetzlichen Gebühren einer künftigen Prozessvertretung zurückbleiben wird (Abgrenzung zu AG München, Urt. v. 10.2.2011 – 223 C 21648/10).
OLG München, Urt. v. 10.12.2014 – 15 U 5006/12
1 Sachverhalt
Der Kläger fordert vom Beklagten die Rückzahlung von Anwaltshonorar, die Herausgabe von Prozesskostenerstattungen und Schadenersatz.
Der Beklagte beriet und vertrat den Kläger in den Jahren 2004 bis 2010 in dessen intensiven rechtlichen Auseinandersetzungen, wobei er gemäß einer am 7./14.9.2014 zeitgleich mit einem "Beratungsvertrag" geschlossenen "Honorarvereinbarung" nach Zeit abrechnete. Mit Schreiben v. 23.9.2010 legte der Beklagte das Mandat in allen zu dieser Zeit offenen Streitigkeiten nieder. Von Prozessgegnern und Gerichten erhaltene Zahlungen verrechnete er gegenüber dem Kläger mit Vergütungsforderungen.
Der Kläger bringt vor, die Honorarvereinbarung sei unwirksam. Zumindest erstrecke sie sich nur auf außergerichtliche Beratung.
Soweit das LG in der Vorinstanz im Wege der erweiternden Auslegung die Vergütungsvereinbarung auch auf die gerichtliche Vertretung erstrecke, führe dies wegen des Verstoßes gegen § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO zur Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung.
2 Aus den Gründen
Der erstmals im Berufungsverfahren gestellte bezifferte Antrag hat nur zu einem Bruchteil Erfolg.
Die zwischen den Parteien geschlossene "Honorarvereinbarung" v. 7./14.9.2004 ist wirksam und bezieht sich auch auf die gerichtliche Tätigkeit des Beklagten. Dies gilt auch dann, wenn man sie den Regeln des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterwirft.
a) Die Bezeichnung als "Honorarvereinbarung" genügt, obwohl § 4 Abs. 2 S. 1 RVG in der im September 2004 gültigen Fassung die Bezeichnung als "Vergütungsvereinbarung" fordert. Dass das "Honorar" des Rechtsanwalts dessen "Vergütung" entspricht, ist allgemein bekannt. "Honorar" ist der in der Umgangssprache übliche Begriff (vgl. auch Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 17. Aufl., § 4 Rn 15: "Die gebräuchliche Bezeichnung “Honorarvereinbarung‘ wird auch zulässig sein, sofern sich aus ihr einwandfrei entnehmen lässt, dass eine Vergütung abweichend von den gesetzlichen Gebühren vereinbart ist, § 133 BGB").
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e) Die Nr. 2.2 der Honorarvereinbarung, die sich nur auf die Erstattung von Anwaltsgebühren durch den Gegner bezieht, aber keine Regelung für den Fall des Verlusts des Prozesses enthält, führt nicht zu deren Unwirksamkeit nach den §§ 49b Abs. 1 BRAO, 134 BGB. Damit wird zwar die Möglichkeit eröffnet, dass das Zeithonorar in einem einfachen Prozess mit hohem Streitwert unter den gesetzlichen Gebühren liegt. Wenn man aber unterstellt, dass die Rahmenvereinbarung im Verhältnis der Parteien insgesamt an die Stelle einer Abrechnung nach dem RVG hat treten sollen, ist maßgeblich, ob aus der Sicht des Rechtsanwalts ex ante die geschuldete Vergütung insgesamt hinter den gesetzlichen Gebühren zurückbleiben wird (Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, 4. Aufl., § 49b Rn 4). Dies wird auch vom Kläger nicht behauptet, der seinen Zahlungsanspruch gerade mit der Überschreitung der gesetzlichen Gebühren begründet. Das Urteil des AG München v. 10.2.2011 – 223 C 21648/10, AGS 2011, 530 betrifft, wie der Beklagte zu Recht vorbringt, eine atypische Gestaltung. Die dortige Vereinbarung bezog sich auf einen konkreten Rechtsstreit. Die Klausel, dass zumindest die Vergütung nach RVG geschuldet sei, wurde handschriftlich gestrichen.
3 Anmerkung 1
Faites vos jeux!
Die Entscheidung des OLG München belegt erneut die These, dass die Führung von Gebührenprozessen einem Glücksspiel gleicht und sichere Prognosen selbst bei eindeutiger Rechtslage und eindeutigen Gesetzestexten nicht zulässt.
Gebührenrechtler pflegen sinnvollerweise die Frage des Mandanten nach Erfolgsaussichten in die eine oder andere Richtung mit einer Prognose zu beantworten, die die Einschränkung enthält: "Dies gilt allerdings nur bei richtiger Sachbehandlung durch das Gericht, die naturgemäß nicht garantiert werden kann."
Das Verbot, bei anwaltlicher Tätigkeit vor Gericht die gesetzlichen Gebühren zu unterschreiten, ist eigentlich deutlich und wird bei zutreffender Auslegung der Kommentierung auch nicht relativiert.
Die hier besprochene Entscheidung des OLG München muss demgemäß selbst dann als überraschend bezeichnet werden, wenn man sie als Fortsetzung einer Entscheidung des 21. Senats des OLG München vom 22.3.2002 betrachtet.
Auch in dieser älteren Entscheidung ist an einer Stelle in der Tat davon die Rede, dass man die Frage, ob eine Gebührenunterschreitung vorliege, anhand einer Sicht ex ante zu beantworten habe.
Offensichtl...