Leitsatz
- Die Klage auf Berichtigung eines Nachweises der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen ist wie die Klage auf Erteilung eines Nachweises gem. § 2 NachwG eine vermögensrechtliche Streitigkeit.
- Der Streitwert ist nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen, wobei das Monatsgehalt den Ausgangspunkt bildet.
- Geht der Streit nicht nur um die bloße Festschreibung unstreitig geltender Arbeitsbedingungen zu etwaigen späteren Beweiszwecken, sondern wird vielmehr über wesentliche inhaltliche Fragen des Arbeitsverhältnisses gestritten, ist der Streitwert nicht mit 1/10 einer Bruttomonatsvergütung zu bewerten (so die Empfehlungen gem. I.7.2 des Streitwertkatalogs 2014, NZA 2014, 745 [= AGS 2014, 365]). Es ist vielmehr sachgerecht, den Antrag mit einem vollen durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst zu bemessen.
LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.1.2016 – 5 Ta 161/15
1 Sachverhalt
Die Beschwerde betrifft die Wertfestsetzung des ArbG gem. § 63 Abs. 2 GKG.
Im Ausgangsverfahren begehrte der Kläger von der Beklagten, seiner Arbeitgeberin, die inhaltliche Abänderung erteilter Nachweise gem. § 2 NachwG. Der Kläger bestritt die Höhe der ausgewiesenen Vergütung, die Verpflichtung zur Leistung von Überstunden, Nacht-, Sonntags- und Feiertagstätigkeit, Vorbehalte betreffend Sonderzahlungen und das Entstehen einer betrieblichen Übung sowie die Nichtanwendbarkeit tariflicher Regelungen auf das Arbeitsverhältnis.
Das ArbG hat der Klage teilweise entsprochen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben und den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf 1.020,00 EUR (= je 1/10 einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.100,00 EUR für jeden der beiden Anträge) festgesetzt.
Mit der Beschwerde begehrt der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Anhebung des Streitwerts auf 10.200,00 EUR (= je eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung des Klägers für jeden Antrag). Dem hat das ArbG nicht entsprochen, sondern die Beschwerde dem LAG zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist statthaft (§ 68 Abs. 1 S. 1 GKG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 68 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG) und auch im Übrigen zulässig und begründet. Sie führt zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Wertfestsetzungsbeschlusses und zur Neufestsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werts. Zwar ist der Wert für die Berichtigung eines Nachweises gem. § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen. Die vom ArbG vorgenommene Schätzung ist jedoch ermessensfehlerhaft. Die Bewertung wird der Bedeutung des Nachweises nicht mehr gerecht, weshalb der Wert auf die Beschwerde hin von 1.020,00 EUR auf 10.200,00 EUR anzuheben war.
1. Ebenso wie die Klage auf Erteilung eines Nachweises (vgl. hierzu erkennende Kammer 18.12.2009 – 5 Ta 131/09, juris) handelt es sich auch bei der Klage auf Berichtigung eines Nachweises gem. § 2 NachwG um eine vermögensrechtliche Streitigkeit.
a) Vermögensrechtliche Ansprüche zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf Geld oder Geldeswert gerichtet sind oder sich aus einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis ergeben (Stein/Jonas-Roth, ZPO, 22. Aufl., § 1 Rn 49 m.w.N.). Deshalb sind im Regelfall alle im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren verfolgten Ansprüche, soweit diese sich auf das als vermögensrechtlich zu begreifende Arbeitsverhältnis stützen, als vermögensrechtliche Streitigkeit anzusehen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn mit der Geltendmachung eines prozessualen Anspruchs in erheblichem Umfang wirtschaftliche Zwecke verfolgt werden und zwar unabhängig davon, ob daneben auch die Verwirklichung von nichtwirtschaftlichen Zwecken erstrebt wird. In der Regel wird es den Arbeitsvertragsparteien um den ungestörten Verlauf ihres Arbeitsverhältnisses und insbesondere dem Arbeitnehmer um den Bestand und den Inhalt seines Arbeitsverhältnisses und die Möglichkeit gehen, seine beruflichen Fähigkeiten einzusetzen und seine Lebensgrundlagen zu sichern (Natter/Gross-Pfitzer/Augenschein, ArbGG, 2. Aufl., § 12 Rn 64).
b) So liegt der Fall auch hier. Maßstab für die Bewertung der beiden Anträge ist deshalb § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
2. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben erweist sich der angefochtene Beschluss als im Ergebnis ermessensfehlerhaft, weshalb der Wert auf die Beschwerde hin von 1.020,00 EUR auf 10.200,00 EUR anzuheben war.
a) Dabei kommt dem Beschwerdegericht im Beschwerdeverfahren gem. § 68 GKG nicht nur eine eingeschränkte Überprüfungsbefugnis zu. Soweit die erkennende Kammer bislang (vgl. etwa 2.8.2010 – 5 Ta 141/10, juris) nur auf Ermessensfehler überprüft hat, wird daran nicht mehr festgehalten. Die bisherige Auffassung fußte noch auf der alten Fassung des § 571 ZPO. Nach § 572 Abs. 1 S. 1 der aktuellen Fassung ("Die Beschwerde kann auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden") wird das Beschwerdegericht als volle zweite Tatsacheninstanz tätig, ohne an die für das Berufungsverfahren geltenden Ein...