Leitsatz
Maßgeblich für die Bewertung einer Angelegenheit als schwierig bzw. aufwändig ist, wenn vom Rechtsanwalt zu bestimmten Problemkreisen des Verfahrens vertiefte rechtliche Ausführungen gemacht werden, ob diese auf den individuellen Fall zugeschnitten sind oder ob es sich dabei nur um allgemeine Ausführungen handelt. Eine Nichtberücksichtigung kommt dann in Betracht, wenn die abstrakten Ausführungen das sinnvolle Maß deutlich übersteigen und die abstrakten Ausführungen zum konkret zu beurteilenden Fall keinerlei Bezug mehr aufweisen und es daher sehr naheliegend erscheinen lassen, dass der Abrechnende die Möglichkeit einer Optimierung der Vergütung missbräuchlich nutzen will, weil der fehlende Erkenntnisgewinn der abstrakten Ausführungen auf der Hand liegt (vgl. die Rspr. des Senats v. 10.3.2015 – L 15 RF 5/15).
LSG München, Beschl. v. 29.1.2016 – L 15 SF 386/13 E
1 Sachverhalt
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem RVG, das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht. Streitig ist die Höhe der Verfahrens- und der Terminsgebühr.
Im Klageverfahren vor dem SG ging es um Bedarf für Unterkunft und Heizung gem. § 22 SGB II, die Berücksichtigung von Einkommen und die Frage der verfassungsrechtlich zutreffenden Bestimmung des Regelbedarfs.
Den Klägern wurde PKH bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet. Er vertrat die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft i.S.d. SGB II in elf Klageverfahren. Fünf dieser Verfahren (S 14 AS 399/11, S 14 AS 400/11, S 14 AS 756/11, S 14 AS 765/11 und S 14 AS 1473/11), in denen der Beschwerdeführer jeweils seiner Mandantschaft im Wege der PKH beigeordnet war, betrafen (ebenfalls) die Berücksichtigung von Einkommen und die Berechnung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, jeweils für verschiedene Zeiträume.
Am 15.11.2012 fand ein Termin zur Erörterung des Sachverhalts der Kammer statt; in diesem wurden alle elf Verfahren (sukzessive) verhandelt. Im hier zugrundeliegenden Verfahren (S 14 AS 1473/11) fand der Termin von 12.02 Uhr bis 12.20 Uhr statt. Im Termin erging der PKH-Beschluss (s.o.) und wurde die Klage zurückgenommen.
Im (älteren) Rechtsstreit, S 14 AS 399/11, wurde der Erstattungsanspruch des Beschwerdeführers für die im Klageverfahren angefallenen Gebühren gegen die Staatskasse antragsgemäß in Höhe der Mittelgebühr festgesetzt.
Am 20.11.2012 beantragte der Beschwerdeführer, seine Vergütung für das Klageverfahren S 14 AS 400/11 in Höhe von 592,19 EUR festzusetzen. Dabei setzte er eine Verfahrensgebühr (inkl. Erhöhung gem. Nr. 1008 VV) in Höhe von 272,00 EUR und eine Terminsgebühr in Höhe von 200,00 EUR an.
Die Kostenbeamtin des SG setzte die von der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf einen Betrag in Höhe von 334,39 EUR, im Einzelnen wie folgt fest:
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV |
90,00 EUR |
Erhöhungstatbestand für mehrere Auftraggeber, Nr. 1008 VV |
54,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
110,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Reisekosten, Nr. 7003 VV |
3,82 EUR |
Tage- u. Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV |
3,18 EUR |
19 % USt, Nr. 7008 VV |
53,39 EUR |
Gesamt |
334,39 EUR |
Der Streitgegenstand, so die Begründung in der Kostenfestsetzung, sei identisch mit denjenigen in den parallel laufenden Verfahren der Klägerin (s.o.). Nur die betroffenen Zeiträume seien unterschiedlich. Zwar sei die Klagebegründung vorliegend umfangreicher, jedoch mit der des Verfahrens S 14 AS 756/11 in weiten Teilen identisch. Unter Beachtung der Synergieeffekte, der Schwierigkeit des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin und im Hinblick auf die Dauer des Termins seien die oben dargelegten Gebühren anzusetzen.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer Erinnerung erhoben. Zur Begründung hat er vor allem vorgetragen, dass die Mittelgebühr die richtige Gebühr sei. Hinsichtlich der jeweiligen Bescheide sei es notwendig, sich individuell mit jedem zu befassen. Somit träten entgegen der Auffassung der Urkundsbeamtin gerade keine Synergieeffekte auf; ein Bescheid und eine Klage seien so kompliziert und so vielfältig wie die anderen. Es könne nicht angehen, dass schlichtweg behauptet werde, dass ein Ermessen des Anwalts bei der Gebührenfestsetzung fehlerhaft ausgeübt worden sei, und dass deswegen nunmehr ein willkürliches Ermessen des Gerichts an die Stelle des anwaltlichen treten könne.
Das SG hat die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen. Dem Beschwerdeführer sei aus "zahllosen früheren Verfahren gleichen Streitgegenstands" die Rechtslage bereits bekannt; er wisse auch, dass es keine "Standardgebühr" in Höhe der Mittelgebühr gebe. Vor allem hätten die Synergieeffekte durch die Bearbeitung der Parallelverfahren eine erhebliche Erleichterung des anwaltlichen Aufwands sowohl im Verfahren als auch im Termin bewirkt.
Hinsichtlich der Verfahrensgebühr hat das SG darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer neben der Klageerhebung lediglich einen Aktenauszug mit klagebegründenden...