Zu Leitsatz 1:
Die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung werden in der Praxis häufig übersehen. Überwiegend sind sie gar nicht bekannt. Das führt regelmäßig zur Zahlung von Mehrkosten, die durch richtige Sachbehandlung – gemeint ist hier das Verhalten der beteiligten Anwälte – nicht entstanden wären. Eine § 20 FamGKG vergleichbare Rechtsfolge heißt beim Anwalt Einschaltung des Haftpflichtversicherers. Ein Haftpflichtfall wäre es für den die Beschwerde zurücknehmenden Anwalt auch geworden, wenn nicht die Voraussetzungen des § 20 FamGKG für eine Niederschlagung der Gerichtskosten vorgelegen hätten.
Wäre die Sache durch das erstinstanzliche Gericht im Fall des OLG aber richtig behandelt worden, so wäre eine Niederschlagung der Gerichtskosten nach § 20 FamGKG nicht und eine Gebührenermäßigung nur unter den Voraussetzungen der Nr. 1324 FamGKG-KostVerz. möglich gewesen. Die Voraussetzungen des Ermäßigungstatbestands der Nr. 1324 FamGKG-KostVerz. waren indes nicht erfüllt, sodass trotz Rücknahme der Beschwerde der Ansatz der 3,0 Gebühr nach Nr. 1322 FamGKG-KostVerz. richtig war und eine Reduzierung der Gerichtskosten nicht (mehr) hätte erreicht werden können. Die Entscheidung des OLG ist deshalb in keiner Weise zu beanstanden: Sie ist richtig!
Der Anwalt hätte zum Zeitpunkt der Rücknahme der Beschwerde aber verfahrensrechtlich die Möglichkeit besessen, eine Gebührenermäßigung herbeizuführen. Eine Ermäßigung der für das Beschwerdeverfahren in Versorgungsausgleichssachen entstehenden 3,0-Gebühr ist grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der Nrn. 1323 FamGKG-KostVerz. und 1324 FamGKG-KostVerz. möglich. Eine Gebührenermäßigung nach Nr. 1323 FamGKG-KostVerz. auf 0,5 kommt dann in Betracht, wenn das gesamte Verfahren durch Zurücknahme der Beschwerde oder des Antrags beendet wird, bevor die Schrift zur Begründung der Beschwerde bei Gericht eingegangen ist. Eine Kostenentscheidung des Gerichts ist, soweit die Beschwerde noch nicht begründet worden ist, deshalb (noch) unschädlich, weil faktisch keine materielle Prüfung und Ermessensausübung nach § 81 Abs. 1 FamFG erfolgen kann und nach § 84 FamFG demjenigen die Kosten ohne weitere Sachprüfung auferlegt werden, der das Rechtsmittel zurückgenommen hat. Der Anwalt hatte die Beschwerde aber bereits begründet, sodass eine Ermäßigung des Gebührensatzes auf 0,5 hier von vornherein ausscheiden musste.
In Betracht gekommen wäre dann nur noch eine Gebührenermäßigung nach Nr. 1324 FamGKG-KostVerz. auf einen Gebührensatz von 1,0. Nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 1324 FamGKG-KostVerz. ermäßigt sich die Gebühr im Fall der Zurücknahme der Beschwerde vor Ablauf des Tages, an dem die Endentscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird, wenn die Endentscheidung nicht durch V(o)rlesen der Entscheidungsformel bekannt gegeben worden ist. Dabei steht nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 1324 FamGKG-KostVerz. eine Entscheidung über die Kosten der Ermäßigung nicht entgegen, wenn die Entscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung über die Kostentragung oder einer Kostenübernahmeerklärung folgt. Der beteiligte Anwalt hätte die Rücknahme der Beschwerde und darüber hinaus gegenüber dem Gericht erklären müssen, dass sich
- die Beteiligten über die Kostentragung geeinigt haben oder
- die Kosten vom Antragsteller oder Antragsgegner übernommen werden.
Im Hinblick auf die Regelung des § 84 FamFG war nahe liegend damit zu rechnen, dass dem Antragsgegner nach Rücknahme seiner Beschwerde auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegt werden. Die vorherige Kostenübernahmeerklärung hätte ihm die Zahlung von 110,00 Euro erspart. Denn Gerichtskosten hätten dann nur noch in Höhe eines Betrags von 55,00 Euro erhoben werden dürfen. Praxisgerecht aber wäre es gewesen, mit der Antragstellerin im Zuge der materiell-rechtlichen Einigung auch eine einvernehmliche Kostenregelung herbeizuführen, die eine Entscheidung des Gerichts insoweit insgesamt entbehrlich gemacht hätte. Denn dann würde sich die Gerichtsgebühr der Nr. 1322 FamGKG-KostVerz. nur noch auf 27,50 Euro belaufen haben.
Zu Leitsatz 2:
Auch von der Möglichkeit, eine Niederschlagung der Gerichtskosten nach § 20 FamGKG zu erreichen, wird überwiegend aus Unkenntnis kein Gebrauch gemacht. Das Gericht ist zwar verpflichtet, die Voraussetzungen des § 20 FamGKG von Amts wegen zu beachten. Übersieht es sie aber, ist der Anwalt verpflichtet, die unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht im Rahmen einer Erinnerung nach § 57 Abs. 1 FamGKG aufzudecken und für eine Niederschlagung der Gerichtskosten Sorge zu tragen. Bei der Erhebung von Gerichtskosten obliegt dem Anwalt deshalb auch im Unterliegensfalle grundsätzlich die Prüfung, ob eine Niederschlagung von Gerichtsgebühren erreicht werden kann, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären. Nur dann erfüllt der Anwalt seine Pflicht, für seinen Auftraggeber kostengünstige Entscheidungen herbeizuführen.
Rechtsanwältin und FAFamR Lotte Thiel, Koblenz