Leitsatz
- Ob der bevollmächtigte Rechtsanwalt, dem für geltend zu machende oder abzuwehrende Ansprüche, die nicht rechtshängig geworden sind, ein Auftrag zur Vertretung im gerichtlichen Verfahren erteilt worden ist, bei einer auf den Vergleichsabschluss beschränkten Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe über diese noch nicht rechtshängig gewordenen Ansprüche für die anwaltlich vertretene Partei neben der Einigungsgebühr auch eine Erstattung weiterer Gebühren (Verfahrensdifferenzgebühr, Terminsgebühr) aus der Staatskasse verlangen kann, hängt von der Auslegung des Bewilligungsbeschlusses ab.
- Für den Fall, dass nur die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf den abgeschlossenen Scheidungsfolgenvergleich über nicht anhängig gemachte Folgesachen entsprechend der Regelung des § 48 Abs. 3 RVG ausgesprochen wird, erhält der Rechtsanwalt nur die 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 i.V.m. Anm. Abs. 1 zu Nr. 1003 VV aus der Staatskasse vergütet.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.10.2012 – 5 WF 230/12
1 Sachverhalt
Dem Antragsteller war mit Beschl. v. 1.4.2011 für das Ehescheidungsverfahren und den Versorgungsausgleich Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten bewilligt worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.12.2011 schlossen die Beteiligten über nicht anhängige Folgesachen einen schriftlich vorgefertigten Vergleich, der als Anlage zum Protokoll genommen wurde. Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für den Antragsteller wurde auf die soeben abgeschlossene Scheidungsfolgenvereinbarung erstreckt.
Dem Verfahrensbevollmächtigten wurde am 5.5.2011 zunächst ein Vorschuss in Höhe von 325,47 EUR bewilligt. Mit seinem Festsetzungsantrag vom 17.1.2012 verlangte er zunächst insgesamt 909,76 EUR abzüglich des Vorschusses. Hierbei setzte er die Verfahrens- und Terminsgebühr aus dem Verfahrenswert der Hauptsache an und eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV aus dem Vergleichswert von 15.800,00 EUR. Antragsgemäß wurden weitere 584,29 EUR festgesetzt.
Mit Nachfestsetzungsantrag vom 3.7.2012 verlangte der Verfahrensbevollmächtigte sowohl eine Verfahrens- als auch eine Terminsgebühr aus dem vollen Wert aus Hauptsache und Vergleich sowie eine 1,0-Einigungsgebühr aus 1.000,00 EUR und eine 1,5-Einigungsgebühr aus dem Vergleichswert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Antrages Bezug genommen. Mit Beschl. v. 17.7.2012 wurden weitere 152,91 EUR festgesetzt. Begründet wurde dies mit der 1,5-Einigungsgebühr. Abgelehnt wurden die Verfahrensdifferenzgebühr und die Terminsgebühr.
Auf die hiergegen eingelegte Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten setzte das Amtsgericht in Abänderung des Beschlusses vom 17.7.2011 die Vergütung auf 381,99 EUR fest. Dem legte es die 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr und eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Vergleichswert zugrunde. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde in dem Verfahren zur Festsetzung der Vergütung nach § 55 RVG ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdesumme ist erreicht (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 ff. RVG).
Für die Frage, in welchem Umfang dem Verfahrensbevollmächtigten ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht, kommt es gem. §§ 45, 48 RVG auf den Inhalt des Bewilligungsbeschlusses an.
In einer Ehesache kann unter den Voraussetzungen der § 113 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO Verfahrenskostenhilfe einem antragstellenden Beteiligten bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Dabei erstreckt sich die Bewilligung nach § 149 FamFG regelmäßig auch auf die Folgesache Versorgungsausgleich. Für weitere Folgesachen ergibt sich aus der Bewilligung keine automatische Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe. Dies bedeutet, dass eine weitergehende Erstreckung der Bewilligung jeweils von der hinreichenden Erfolgsaussicht der Folgesache abhängig ist.
Vorliegend hat das FamG die mit Beschl. v. 1.4.2011 erfolgte Bewilligung und Beiordnung nicht auf weitergehende ausdrücklich benannte Folgesachen erstreckt. In Erweiterung dieses Beschlusses erfolgte nach dem eindeutigen Wortlaut des verkündeten Beschlusses v. 13.12.2011 eine Erstreckung auf den soeben abgeschlossenen Vergleich ohne ausdrückliche Erwähnung einer Erweiterung auf eine Verfahrensdifferenz- und Terminsgebühr. Ob eine solche Bewilligung und Erstreckung der Beiordnung auf den Scheidungsfolgenvergleich, die der Regelung in § 48 Abs. 3 RVG entspricht, auch eine Erstattung dieser weitergehenden Gebühren umfasst, ist in Rspr. und Lit. umstritten.
Zu der Frage, welche Gebühren einem Rechtsanwalt im Zusammenhang mit einer Mandatierung für ein gerichtliches Verfahren entstehen können und welche dieser Gebühren er im Rahmen der Kostenfestsetzung geltend machen kann, ist nach der Rspr. des BGH anerkannt, dass in einem Rechtstreit im Rahmen der Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO eine Verfahrens- sowie eine Terminsgebühr regelmäßig nur festges...