RVG §§ 8, 15a Abs. 2 RVG VV Nr. 3335, Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 ZPO § 118 BGB §§ 362, 387, 667, 675 Abs. 1

Leitsatz

Ist die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Vertretung nicht Gegenstand des PKH-Antrags und schließen die Beteiligten im PKH-Bewilligungsverfahren einen Vergleich zur Abgeltung der Hauptforderung, führen die anschließende Zahlung des Vergleichsbetrags an den Gläubigerbevollmächtigten und dessen Einbehalt der Geschäftsgebühr vor Weiterleitung des Rests an den Mandanten nicht zur Anrechnung dieser Gebühr auf die Verfahrensgebühr.

OLG Koblenz, Beschl. v. 28.4.2014 – 14 W 236/14

1 Sachverhalt

Der Anspruchsteller bat nach erfolglosen außergerichtlichen Verhandlungen um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Stufenklage zur Durchsetzung seines Pflichtteils gegen die Anspruchsgegnerin, seine Schwester, die von der Mutter der Parteien testamentarisch zur Alleinerbin bestimmt worden war. Eine Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Vertretung war nicht Gegenstand des Klageentwurfs.

Einer Anregung der Einzelrichterin folgend schlossen die Parteien im PKH-Verfahren einen Vergleich. Eine Entscheidung über den PKH-Antrag unterblieb, nachdem die Richterin mitgeteilt hatte, sie werde den Antrag mangels Bedürftigkeit ablehnen.

Der Vergleich verpflichtete die Erbin, zur Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche der Parteien "aus dem Erbfall der Frau Therese K." an ihren Bruder 43.700,00 EUR zu zahlen. Von den Verfahrenskosten einschließlich des Vergleichs übernahm der Antragsteller 14 %, die Erbin 86 %.

Den noch offenen Betrag zahlte die Erbin alsbald an den Verfahrensbevollmächtigten des Anspruchstellers. Rechtsanwalt P. behielt unstreitig von dem Zahlbetrag die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Vertretung ein und leitete den Rest an seinen Mandanten weiter.

Der Einbehalt der Geschäftsgebühr veranlasste die Erbin gegenüber der zur Kostenausgleichung angemeldeten Verfahrensgebühr (Nr. 3335 VV) zu dem Einwand, durch die Zahlung des Vergleichsbetrages und den Einbehalt sei die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) erfüllt i.S.v. § 15a Abs. 2 1. Alt. RVG, so dass der Anspruchsteller sich auf die Verfahrensgebühr eine 0,65-Geschäftsgebühr anrechnen lassen müsse (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV).

Dem ist die Rechtspflegerin gefolgt und hat die Verfahrensgebühr (Nr. 3335 VV) um eine 0,65 Geschäftsgebühr gekürzt.

Dagegen wendet sich die zulässige sofortige Beschwerde mit Erfolg.

2 Aus den Gründen

Eine Anrechnung hat zu unterbleiben.

Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass in Fällen, bei denen Anwaltskosten der vorgerichtlichen Vertretung mit eingeklagt sind, der Beklagte bei Abschluss eines Prozessvergleichs für eine eindeutige Regelung sorgen muss, dass diese Kosten in die Vergleichssumme einbezogen sind. Dabei muss auch der Umfang der Einbeziehung bestimmt werden (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 18.11.2013 – 14 W 634/13, AGS 2014, 43 = Rpfleger 2014, 109 = JurBüro 2014, 134 = NJW-Spezial 2014, 28 = RVGprof. 2014, 57).

Im vorliegenden Fall war die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Vertretung nicht Gegenstand des Klageentwurfs, der dem PKH-Antrag beilag. Schon von daher liegt die Annahme fern, die Parteien hätten erwogen, dass der im Vergleich vereinbarte Zahlbetrag auch Kosten der vorgerichtlichen Vertretung abgelten sollte.

Das gilt erst Recht angesichts der Tatsache, dass der eingehend und sorgfältig begründete Vergleichsvorschlag des Gerichts keinerlei Anhalt dafür bietet, mit dem von der Einzelrichterin vorgeschlagenen Zahlbetrag sollten auch Anwaltskosten der vorgerichtlichen Vertretung des Pflichtteilsberechtigten abgegolten werden. Das nunmehr virulente Problem ist seinerzeit weder vom Gericht noch von den Beteiligten und ihren Anwälten gesehen worden. Dementsprechend lautet die Vergleichsvereinbarung auch dahin, dass mit der Zahlung der Erbin die Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten "aus dem Erbfall" abgegolten sein sollen. Bei dem anwaltlichen Gebührenanspruch für die vorgerichtliche Vertretung des Anspruchstellers handelt es sich indes nicht um einen Anspruch aus dem Erbfall, sondern um einen solchen aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und seinem Anwalt.

Zu Recht hat die Anspruchsgegnerin daher auch nicht behauptet, sie könne sich wegen Vorliegens eines Vollstreckungstitels (§ 15a Abs. 2, 2. Alt. RVG) auf die Anrechnung berufen. Das hat die Rechtspflegerin noch richtig erkannt.

Durch den nachfolgenden Einwand, die Geschäftsgebühr sei von der Erbin erfüllt, weil Rechtsanwalt P. den an ihn geleisteten Vergleichsbetrag vor dessen Weiterleitung an den Mandanten gekürzt habe, indem er die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Vertretung einbehielt, hat die Rechtspflegerin sich in die Irre leiten lassen.

Die Erbin schuldete den vereinbarten Zahlbetrag ausschließlich zur Erfüllung des Anspruchs ihres Bruders auf den Pflichtteil. Nur dieser Anspruch konnte daher durch die Zahlung erfüllt werden (§ 362 BGB).

Rechtsanwalt P. musste das vereinnahmte Geld an seinen Mandanten ungekürzt herausgeben (§§ 675 Abs. 1, 667 BGB). In ...

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