Grundsätzlich kommt es für die Anwendung alten oder neuen Gebührenrechts auf den Tag der unbedingten Auftragserteilung zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG bzw. auf den Tag der Bestellung oder Beiordnung (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG) an. Ist dem Rechtsanwalt der Auftrag vor dem Stichtag erteilt oder ist er vor diesem Tag bestellt oder beigeordnet worden, dann ist die Vergütung nach dem bis zum Stichtag maßgebenden Recht zu berechnen. Ist der Rechtsanwalt nach dem Stichtag beauftragt, beigeordnet oder bestellt worden, gilt neues Recht.

Sind die in § 60 Abs. 1 S. 1 RVG aufgeführten Tatbestände – Auftrag oder Tag der Bestellung oder Beiordnung – beide erfüllt, soll für die Frage, welches Vergütungsrecht Anwendung findet, der Zeitpunkt maßgebend sein, an dem erstmals einer der Tatbestände erfüllt war. Wird demnach wie im Fall des OLG der unbedingte Auftrag vor dem Stichtag erteilt, ist die Vergütung nach dem vor dem Stichtag maßgeblichen Recht zu berechnen, auch wenn etwa die Beiordnung im Rahmen der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe erst nach dem Stichtag erfolgt.[1] Das Gebührenrecht, das an diesem Tage galt, bleibt dann für die gesamte Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG maßgebend.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift könnten auf den ersten Blick verschiedene Zeitpunkte in Betracht kommen, die auch zu einer unterschiedlichen Rechtsanwendung führen würden, wenn der Anwalt vor dem Stichtag mit dem Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren beauftragt war und er nach dem jeweiligen Stichtag beigeordnet worden ist und für das Hauptverfahren insoweit nur ein bedingter Auftrag vorgelegen hat.

Auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung für das Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeverfahren ist allerdings auch dann abzustellen, wenn der Anwalt vor dem Stichtag "nur" den Auftrag hatte, Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe zu beantragen und nur für den Fall, dass Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt werde, ihm der Auftrag erteilt worden ist, auch in der Hauptsache tätig zu werden. Die gegenteilige Auffassung argumentiert damit, dass der Verfahrensauftrag bedingt erteilt worden sei und erst mit Eintritt der Bedingung, also zum Zeitpunkt der Beiordnung, wirksam werde, mit der Folge, dass sich die Vergütung im Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren gemäß Nr. 3335 VV-RVG nach altem und die Vergütung im gerichtlichen Verfahren gemäß den Nrn. 3100 ff. VV-RVG nach neuem Gebührenrecht richtet.[2]

Zwar liegt in diesem Fall ein insoweit bedingter Auftrag für das Hauptsacheverfahren vor; dieser bedingte Auftrag bezieht sich aber nicht auf eine neue Angelegenheit. Bei dem Verfahren auf Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe und dem Verfahren, für das Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beantragt wird, handelt es sich um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG (§ 16 Nr. 2 RVG). Dem Anwalt wird demnach mit seiner Beiordnung kein (neuer) (weiterer) Auftrag erteilt. Der Auftrag in derselben Angelegenheit "Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren" wird fortgeführt durch das Verfahren, für das Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beantragt worden war.[3] Deshalb ist nach dem Willen des Gesetzgebers auch in diesem Fall stets auf den grundsätzlich früher gelegenen Zeitpunkt der Auftragserteilung abzustellen.[4] Das ist insbesondere auch deshalb sachgerecht, weil der wirtschaftlich bereits schwächer gestellte Auftraggeber nicht zeitlichen Zufälligkeiten ausgesetzt sein soll, die ihn höheren Gebühren ausliefern als den liquiden Auftraggeber, der von Vornherein nur mit den geringeren Gebühren konfrontiert sein würde.

Allerdings bleibt die Frage dann offen, ob § 60 Abs. 1 S. 1 RVG bei dieser Auslegung zumindest teilweise leer läuft, weil Auftragserteilung und Beiordnung temporal grundsätzlich auseinanderfallen, wobei der Auftrag regelmäßig vor der Beiordnung des Rechtsanwalts gelegen ist. Auf den Zeitpunkt der Beiordnung würde es demnach nie ankommen können, einmal abgesehen von den in der Praxis kaum vorkommenden Fällen, dass der Auftraggeber das Prüfungsverfahren selbst bearbeitet und für den Fall einer Beiordnung einen Rechtsanwalt benennt. Der Wortlaut der Vorschrift könnte insoweit deshalb auch für die gegenteilige Auffassung streiten.

Allerdings hat der Gesetzgeber bei den in § 60 Abs. 1 S. 1 RVG aufgenommenen Tatbestandsalternativen zutreffend berücksichtigt, dass das Gericht einer Partei in bestimmten gesetzlich geregelten Fällen einen Rechtsanwalt beizuordnen hat, der (noch) keinen Auftrag erhalten hat. Das Gericht hat auf Antrag einer Partei durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint (§ 78b Abs. 1 S. 1 ZPO). Ferner hat das Gericht nach § 138 Abs. 1 S. 1 FamFG in einer Scheidungssache, in der der Antragsgegner nicht anwaltlich vertreten ist, ihm für die Scheidungssache und...

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