Leitsatz
Das Unterbleiben einer Kosten- und Auslagenentscheidung im Nichteröffnungsbeschluss ist mit der Beschwerde anfechtbar. Die Entschädigungsentscheidung ist nachzuholen.
OLG Köln, Beschl. v. 20.8.2015 – III-2 Ws 523/15
1 Sachverhalt
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit der Vorlageverfügung den derzeitigen Sachstand wie folgt zusammengefasst:
"Der Beschwerdeführer ist aufgrund Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft in Polen in Auslieferungshaft genommen von dort an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert worden; seither hat er sich in Untersuchungshaft befunden. Grundlage des Europäischen Haftbefehls war der Haftbefehl des AG, mit dem dem Beschwerdeführer gemeinschaftlicher Mord in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub zur Last gelegt wurde. Wegen dieser Tatvorwürfe hat die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer und zwei weitere Beschuldigte Anklage beim LG – Schwurgericht – erhoben."
Durch Beschl. v. 2.6.2015 hat das OLG den Haftbefehl des AG wie auch den zwischenzeitlich ergangenen Haftfortdauerbeschluss der Schwurgerichtskammer mangels dringenden Tatverdachts aufgehoben und die sofortige Entlassung des Beschwerdeführers angeordnet, die am selben Tag erfolgt ist.
Mit Verweis auf die Ausführungen des OLG Köln hat das LG Aachen sodann unter anderem die Nichteröffnung des Hauptverfahrens gegen den Beschwerdeführer aus tatsächlichen Gründen beschlossen – ein hinreichender Tatverdacht sei nicht feststellbar – und die formlose Übersendung einer Beschlussausfertigung an den Verteidiger des Beschwerdeführers verfügt, die taggleich erfolgt ist.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit beim LG am selben Tag eingegangenem anwaltlichem Schreiben sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, seine Kosten und notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, sowie festzustellen, dass er für die erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen zu entschädigen ist.“
Darauf nimmt der Senat Bezug.
2 Aus den Gründen
1. Gegen die Unterlassung der Kosten- und Auslagenentscheidung in dem die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Beschwerdeführer ablehnenden Beschluss der Schwurgerichtskammer ist die sofortige Beschwerde des früheren Angeschuldigten statthaft. Die Beschränkung des § 464 Abs. 3 S. 1 2. Hs. StPO steht dem nicht entgegen. § 464 Abs. 3 S. 1 1. Hs. StPO geht von einer grundsätzlichen Anfechtbarkeit der Kosten- und Auslagenentscheidung aus und erklärt – als Ausnahme – die Unzulässigkeit der Anfechtbarkeit, wenn die Anfechtbarkeit der Hauptentscheidung i.S.v. § 464 Abs. 1 generell nicht statthaft ist, d.h. schon nach der Art der Entscheidung schlechthin nicht zulässig ist oder weil die betroffene Person grundsätzlich – unabhängig von der Frage der Beschwer im Einzelfall – nicht zur Einlegung des Rechtsmittels befugt ist (BT-Drucks 10/1313, S. 40; Senatsbeschl. v. 5.8.2010 – 2 Ws 471/10, NStZ-RR 2010, 392; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 464 Rn 19; Franke, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 464 Rn 8; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 464 Rn 57).
Nach § 210 Abs. 2 StPO ist die Anfechtung der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens nicht generell ausgeschlossen, sondern nur der Staatsanwaltschaft vorbehalten, weil der frühere Beschuldigte durch die Entscheidung nicht beschwert wird.
Für den Fall der Nichteröffnung des Hauptverfahrens gem. § 204 StPO ist daher die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde des früheren Beschuldigten gegen die Unterlassung einer Kosten- und Auslagenentscheidung anerkannt (vgl. OLG München StraFO 1997, 191; KG StraFO 2008, 265; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, a.a.O.).
Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. In Ermangelung eines in den Akten befindlichen Nachweises über die erfolgte Zustellung des angegriffenen Beschlusses ist entsprechend den Angaben des Verteidigers davon auszugehen, dass diesem der Beschluss am 20.7.2015 zugegangen ist und er mit Schriftsatz vom 24.7.2015, der per Fax am selben Tag beim LG Aachen eingegangen ist, innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt hat.
Das Rechtsmittel führt gem. § 467 Abs. 1 StPO dazu, dass die Kosten und notwendigen Auslagen des früheren Beschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen sind. Hinsichtlich der Kosten führt zwar allein schon das Unterlassen einer darüber zu treffenden Entscheidung dazu, dass die Staatskasse diese zu tragen hat (Hilger, in: Löwe-Rosenberg a.a.O., Rn 17; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn 8, jeweils m.w.N.). Jedenfalls aus Gründen der Klarstellung ist insoweit aber ein gesonderter Ausspruch angezeigt.
2. Soweit sich das Rechtsmittel gegen die unterbliebene Entscheidung über die Entschädigung des Beschwerdeführers nach dem StrEG richtet, ist es nicht statthaft, weil noch keine beschwerdefähige Entscheidung vorliegt.
Zwar war die Kammer nach § 8 Abs. 1 S. 1 StrEG verpflichtet, mit der verfahrensabschließenden Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens über die Verpflichtung zur Entschädigung des Beschuldigten für di...