Leitsatz
Die Wahrnehmung eines Ortstermins mit einem gerichtlich bestellten Sachverständigen ist nach der Vorbem. 3 Abs. 3 VV bei der Terminsgebühr zu berücksichtigen. Mit seiner Einladung setzt dieser den Rechtsschein, dass er sich im Rahmen der gerichtlichen Anordnung hält, auf den der Empfänger vertrauen kann. Eine Rückfrage beim Gericht ist selbst dann nicht notwendig, wenn der Sachverständige mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt ist.
Thüringer LSG, Beschl. v. 7.12.2015 – L 6 SF 850/15 B
1 Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Verfahren hatte das Gericht zunächst einen Erörterungstermin anberaumt, der dann aber kurzfristig aufgehoben worden ist. Später kam es dann zur Durchführung des Erörterungstermins, in dem zugleich ein Parallelverfahren erörtert worden ist. Das Gericht beauftragte daraufhin einen Sachverständigen, zum Wert einer bebauten Immobilie ein Gutachten nach Aktenlage zu erstellen. Der Sachverständige hatte ungeachtet dieser Vorgabe eine Besichtigung des Objekts vorgenommen und hierzu die Parteien geladen. Der den Klägern beigeordnete Anwalt hatte daraufhin an diesem Termin teilgenommen. Nach Abschluss des Verfahrens beantragten sie die Festsetzung der ihnen entstandenen Kosten, darunter auch die Terminsgebühr zum damaligen Höchstbetrag i.H.v. 380,00 EUR. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Terminsgebühr mit 50 % über der Mittelgebühr festgesetzt.
Das SG hat die Erinnerung zurückgewiesen und die zu erstattende Vergütung auf 1.131,81 EUR abzüglich geleisteter Vorschüsse festgesetzt. Die Festsetzung der 1,5fachen Mittelgebühr für die Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV sei nicht zu beanstanden. Bedeutung und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit seien als überdurchschnittlich zu bewerten. Bei letzterem sei der lange streitgegenständliche Zeitraum und der nicht vom Gericht angeordnete Termin mit dem Sachverständigen zu berücksichtigen. Die Schwierigkeit des Verfahrens habe über dem Durchschnitt vergleichbarer sozialgerichtlicher Verfahren gelegen. Auch die Terminsgebühr sei in Höhe der 1,5fachen Mittelgebühr entstanden. Die Höchstgebühr komme nicht in Betracht. Die Vorbereitung des nicht durchgeführten Erörterungstermins sei nicht im Rahmen der Termins- sondern der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen. Die übrigen Gebührentatbestände seien nicht mit der Erinnerung angegriffen worden und nicht zu beanstanden.
Gegen den Beschluss hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt und vorgetragen, sie habe die streitgegenständlichen umfangreichen Bescheide überprüfen müssen, wie sich aus den beigefügten Unterlagen ergebe. Im Übrigen habe sie zusätzlich drei Erstattungsbescheide überprüft, in denen Erstattungsansprüche gegen die Kläger geltend gemacht worden seien. Der Beschwerdegegner hat vorgetragen, es sei nicht ersichtlich, dass die Frage der Verwertung der selbstgenutzten Immobilie rechtlich und tatsächlich schwierig gewesen sei. Auch sei der Klageantrag nicht beziffert worden. Ein monatlicher Auszahlungsbetrag von ca. 63,00 EUR/Monat für drei Kläger entsprechend dem Vergleich sei allenfalls leicht durchschnittlich. Die Erhöhung der Terminsgebühr wäre nur aufgrund der Teilnahme an einem Ortstermin gerechtfertigt. Der Sachverständige habe aber den Ortstermin durchgeführt, obwohl er mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt worden war. Damit bestünden Zweifel, dass die Teilnahme erforderlich und gebührenerhöhend zu berücksichtigen sei.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LSG vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Im Ergebnis bestehen hier keine Bedenken gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV in Höhe der von der Vorinstanz zuerkannten 1,5fachen Mittelgebühr. Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger, die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger verweist der Senat entsprechend § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen der Vorinstanz, denen er sich anschließt. Auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war angesichts der zu überprüfenden Bescheide überdurchschnittlich. Zu berücksichtigen ist hier auch die Vorbereitung auf zwei Erörterungstermine (vgl. Senatsbeschl. v. 26.11.2014 – L 6 SF 1079/14 B u. 17.4.2014 – L 6 SF 209/14 B; Sächsisches LSG, Beschl. v. 19.6.2013 – L 8 AS 45/12 B KO, nach juris [= AGS 2013, 395]; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. 2015, § 3 RVG Rn 67), von denen einer kurzfristig abgesagt worden war. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist der Zeitaufwand für den wahrgenommenen Ortstermin mit dem Sachverständigen bei der Terminsgebühr Nr. 3106 VV zu berücksichtigen (s. unter 2.). Die vorgetragenen Erstattungsbescheide vom Juni 2010 waren nicht streitgegenständlich. Damit kann ihre Überprüfung bei der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung nicht berücksichtigt werden.
Die Terminsgebühr ist in Höhe der beantragten Höchstgebühr (380,00 EUR) festzusetzen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich vor allem nach der Dauer ...