Leitsatz
Werden in einem Gerichtstermin zusätzlich Verhandlungen zur Einigung über Streitgegenstände geführt, die in anderen Verfahren rechtshängig sind, so fällt lediglich im Einbeziehungsverfahren eine (erhöhte) Terminsgebühr an, die sich aus der Summe der Gegenstandswerte der verhandelten bzw. einbezogenen Verfahren errechnet.
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 1.2.2016 – 8 E 651/15
1 Sachverhalt
Die Klägerin hatte gegen 89 Bescheide der Beklagten jeweils Klage erhoben. Das VG hatte in drei ausgewählten "Musterverfahren" Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Während der mündlichen Verhandlung wurden die restlichen 86 nicht geladenen Verfahren, zu denen auch das vorliegende gehört, durch einen Vergleich beendet.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte daraufhin in den 86 nicht geladenen Verfahren, seine Anwaltskosten gegen seine Mandantin, die Klägerin, festzusetzen. Er ist der Auffassung, dass im vorliegenden Verfahren u.a. eine Terminsgebühr in Höhe von 361,20 EUR und eine Einigungsgebühr in Höhe von 301,00 EUR angefallen seien, weil die beiden Gebühren jeweils nach einem Gegenstandswert von 5.000,00 EUR zu berechnen seien.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat eine Vergütung in Höhe von insgesamt 578,26 EUR festgesetzt; dabei hat er lediglich eine Terminsgebühr in Höhe von 38,96 EUR und eine Einigungsgebühr in Höhe von 32,47 EUR berücksichtigt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe die beiden Gebühren jeweils aus den addierten Gegenstandswerten der nicht terminierten und verglichenen Verfahren (85 x 5.000,00 EUR = 425.000,00 EUR) errechnet und dann anteilig auf die Verfahren verteilt (jeweils 1/85).
Die gegen diesen Vergütungsfestsetzungsbeschluss gerichtete Erinnerung hat das VG zurückgewiesen. Mit seiner Beschwerde begehrt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weiterhin eine höhere Termins- und Einigungsgebühr.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Zwar hat der angefochtene Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu erstattende Vergütung zu hoch und damit unrichtig festgesetzt. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Terminsgebühr (dazu unter 1.) als auch hinsichtlich der Einigungsgebühr (dazu unter 2.). Dies führt jedoch nicht zur Aufhebung oder Änderung des Beschlusses (dazu unter 3.).
1. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat jedenfalls eine zu hohe Terminsgebühr für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin angesetzt.
Maßgebend für die Festsetzung einer Terminsgebühr in der hier in Rede stehenden Fallkonstellation ist Nr. 3104 VV. Sind danach in einem Gerichtstermin auch Verhandlungen zur Einigung über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt worden, wird die Terminsgebühr, soweit sie den sich ohne Berücksichtigung der nicht rechtshängigen Ansprüche ergebenden Gebührenbetrag übersteigt, auf eine Terminsgebühr angerechnet, die wegen desselben Gegenstands in einer anderen Angelegenheit entsteht. Mit dieser auf den ersten Blick nicht einfach zu verstehenden Regelung sollte nach den Motiven des Normgebers erreicht werden, dass die Terminsgebühr nicht doppelt verdient wird. Fällt die Gebühr auch in einem anderen Verfahren an, soll eine hier verdiente Gebühr aus dem Wert der nicht rechtshängigen Ansprüche angerechnet werden (BT-Drucks 15/1971, S. 212).
Das bedeutet zugleich: Wenn in einem Gerichtstermin zusätzlich Verhandlungen zur Einigung über Ansprüche geführt werden, die nicht oder in einem anderen Verfahren rechtshängig sind, so fällt eine durch diese Verhandlungen ausgelöste Terminsgebühr nur in dem Verfahren an, in dem der Gerichtstermin stattgefunden hat ("Einbeziehungsverfahren"), nicht jedoch in dem Verfahren, dessen Gegenstand einbezogen wurde (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.1.2008 – 6 W 166/07, OLG Frankfurt OLGR 2008, 576, juris Rn 3 m.w.N. [= AGS 2008, 224]; OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.3.2005 – 8 W 89/05, MDR 2005, 838, juris Rn 7 ff.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl. 2013, VV 3104 Rn 90, 98 f.).
Im Einbeziehungsverfahren fallen also unter den beschriebenen Voraussetzungen nicht zwei Terminsgebühren an, sondern lediglich eine erhöhte Terminsgebühr, die sich aus der Summe der Gegenstandswerte der verhandelten bzw. einbezogenen Verfahren errechnet.
Dementsprechend findet auch eine Anrechnung nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV nur dann statt, wenn in dem Verfahren, das einbezogen wurde, aus anderen Gründen – etwa wegen eines weiteren Termins – eine Terminsgebühr entstanden ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.3.2005 – 8 W 89/05, MDR 2005, 838, juris Rn 11).
In dem Verfahren des einbezogenen Anspruchs wird durch die in dem anderweitigen Termin geführten Verhandlungen auch nicht etwa nach Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Alt. VV (Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts) eine Terminsgebühr begründet, weil sonst für dieselbe Tätigkeit und denselben Gegenstand in zwei Verfahren je eine Terminsgebühr anfallen würde, was dem beschriebenen Gesetzeszweck zuwiderliefe (Gero...