Leitsatz
Nimmt der Rechtsanwalt nach Gesprächen mit dem zuständigen Staatsanwalt, in welchen die Möglichkeit einer beiderseitigen Revisionsrücknahme erörtert wurde, die Revision des Angeklagten zurück und nimmt im Hinblick darauf dann auch die Staatsanwaltschaft ihre bereits begründete Revision zurück, entsteht für den Rechtsanwalt die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Anm. 1 S. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV, ohne dass es darauf ankommt, ob das Rechtsmittel beim Rechtsmittelgericht anhängig geworden ist.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 8.3.2016 – 1 Ws 49/16
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des LG, mit welchem seine Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG als unbegründet verworfen wurde.
Durch Urteil des LG wurde gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe verhängt.
Gegen dieses Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidiger des Angeklagten Revision ein. Die Staatsanwaltschaft begründete ihr Rechtsmittel mit weiterem Schriftsatz und auch für den Angeklagten wurde die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt.
In der Folge nahmen zunächst der Pflichtverteidiger des Angeklagten als auch kurz danach sein weiterer Wahlverteidiger, nachdem Erstgenannter zwischenzeitlich mit dem zuständigen Staatsanwalt telefonisch eine beiderseitige Revisionsrücknahme erörtert hatte, die gegen das landgerichtliche Urteil eingelegten Revisionen zurück. Nach Kenntnisnahme dieser Revisionsrücknahmen erklärte auch die Staatsanwaltschaft die Rücknahme ihres Rechtsmittels. Zu diesem Zeitpunkt war noch keine Übersendung der Akten an das Rechtsmittelgericht bzw. an die bei diesem ansässige Staatsanwaltschaft erfolgt.
Der Beschwerdeführer beantragte sodann beim LG, die nachstehenden Pflichtverteidigergebühren festzusetzen:
1. |
Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren mit Zuschlag, Nr. 4131 VV |
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603,00 EUR |
2. |
Erledigungsgebühr, Nr. 4141 VV |
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421,00 EUR |
3. |
Post- und Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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198,36 EUR |
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Gesamtbetrag |
1.242,36 EUR |
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Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des LG setzte die an den Beschwerdeführer zu zahlenden Gebühren auf 741,37 EUR fest. Die beantragte Erledigungsgebühr sowie die darauf entfallende Umsatzsteuer setzte sie ab.
Dagegen legte der Beschwerdeführer Erinnerung ein, die das LG nach Stellungnahme der Bezirksrevisorin als unbegründet verwarf.
Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Voraussetzungen für die Entstehung der sog. Erledigungs- bzw. Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV sind erfüllt.
Danach entsteht diese zusätzliche Gebühr u.a., wenn sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme der Revision des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten – wie der Staatsanwaltschaft – erledigt. Nach dem Wortlaut des Tatbestandes der Gebührenbeschreibung muss die Hauptverhandlung durch eine anwaltliche Mitwirkung entbehrlich geworden sein, d.h. der Anwalt muss auf die Rücknahme irgendwie Einfluss genommen haben (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 11.3.2009 – 2 Ws 55/09, juris, Rn 9 [= AGS 2009, 271]). Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, den Anreiz zu erhöhen, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, und damit weniger Hauptverhandlungen zu führen, indem entsprechende Tätigkeiten des Verteidigers, die zur Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führen, gebührenrechtlich honoriert werden (vgl. u.a. OLG Oldenburg, Beschl. v. 3.11.2011 – 1 Ws 434/10, juris, Rn 5). Mit der großen Mehrheit der Oberlandesgerichte (vgl. u.a. OLG Oldenburg a.a.O. m.z.w.N.; OLG Rostock, Beschl. v. 6.3.2012 – I Ws 62/12; OLG München, Beschl. v. 16.10.2012 – 4 Ws 179/12, juris [= AGS 2013, 174]) hat auch der Senat schon in der Vergangenheit entschieden, dass die Gebühr im Falle einer Revisionsrücknahme deshalb nur anfällt, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ausnahmsweise eine Hauptverhandlung anberaumt worden wäre (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 21.7.2011 – Ws 178/11, juris, Rn 3). An dieser Ansicht hält der Senat auch weiterhin fest.
Vorliegend hat – wie die Bezirksrevisorin in ihrer Stellungnahme selbst ausführt – der Beschwerdeführer nach Gesprächen mit dem zuständigen Staatsanwalt, in welchen die Möglichkeit einer beiderseitigen Revisionsrücknahme erörtert wurde, die Revision des Angeklagten zurückgenommen. Erst im Hinblick auf diese Tätigkeiten des Beschwerdeführers hat dann auch die Staatsanwaltschaft, wie sich aus deren Verfügung ergibt, ihr Rechtsmittel zurückgenommen. Damit unterscheidet sich die hiesige Fallkonstellation entscheidend von derjenigen, wie sie der Senatsentscheidung vom 21.7.2011 zugrunde lag. Dort hatte die Staatsanwaltschaft ihre Revision bereits vor der Rechtsmittelrücknahme des Verteidigers zurückgenommen (vgl. OLG Braunschweig a.a.O., Rn 5). Da die (zulässige) Revision der Staats...