Im Falle eines Anwaltswechsels ist für jeden Anwalt gesondert zu prüfen, welches Gebührenrecht Anwendung findet. Für jeden der beauftragten Anwälte kommt es auf den Tag an, an dem er den jeweiligen Auftrag erhalten hat.
Beispiel 12
Anwalt A war im Januar 2015 beauftragt worden, den Betroffenen wegen eines Bußgelds in Höhe von 50,00 EUR im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde zu verteidigen. Nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid wird die Sache an das AG abgegeben und am 1.7.2015 Termin zur Hauptverhandlung für Oktober 2015 anberaumt. Der Mandant kündigt daraufhin am 31.7.2015 das Mandat und beauftragt Anwalt B mit seiner Verteidigung, der dann auch an der Hauptverhandlung teilnimmt.
Für den Anwalt A gilt gem. § 60 Abs. 1 RVG noch altes Recht, so dass er die Verfahrensgebühr der Nr. 5109 VV erhält.
Für den Anwalt B gilt dagegen gem. § 60 Abs. 1 RVG bereits neues Recht, so dass er neben der Grundgebühr (Nr. 5100 VV) die Gebühren der Nrn. 5107, 5108 VV erhält.
Ausgehend von den Mittelgebühren ist wie folgt zu rechnen:
I. Rechtsanwalt A
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
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100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV |
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160,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
280,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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53,20 EUR |
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Gesamt |
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333,20 EUR |
II. Rechtsanwalt B
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5107 VV |
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65,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, Nr. 5108 VV |
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130,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
315,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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59,85 EUR |
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Gesamt |
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374,85 EUR |
Gesamt I. + II. |
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708,05 EUR |
Problematisch ist in diesem Fall die Kostenerstattung. Erstattungsfähig sind nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nur die Kosten eines Anwalts. Die Rechtsprechung geht darüber hinaus so weit, dass sie nur die Kosten des zuerst beauftragten Anwalts für erstattungsfähig hält. Das hat in den bisher entschiedenen Fällen stets dazu geführt, dass nur die geringeren (fiktiven) Kosten des ersten Anwalts als erstattungsfähig angesehen wurden.
Ausgehend hiervon wären bei der zugrunde liegenden Fallkonstellation ausnahmsweise einmal die (fiktiven) höheren Kosten des ersten Anwalts zu erstatten. Das würde bedeuten, dass von den Kosten des zweiten Verteidigers B nicht nur die tatsächlich angefallene geringere Terminsgebühr i.H.v. 130,00 EUR netto zu erstatten wäre, sondern dass dessen Kosten i.H.v. netto 315,00 EUR in Höhe desjenigen Betrags zu erstatten wären, der angefallen wäre, wenn der erste Verteidiger A das Verfahren zu Ende geführt hätte. Dann wäre nämlich eine Terminsgebühr i.H.v. 255,00 EUR netto angefallen.
Von den tatsächlich angefallenen Gesamtkosten der beiden Verteidiger i.H.v. 708,05 EUR sind daher die Kosten zu erstatten, die angefallen wären, wenn der erste Verteidiger das Verfahren zu Ende betrieben hätte, also:
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV |
|
160,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, Nr. 5110 VV |
|
255,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
535,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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101,65 EUR |
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Gesamt |
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636,65 EUR |