Leitsatz
- Eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV entsteht bei einer Zwischenvereinbarung zum Sorgerecht anlässlich der Einholung eines Sachverständigengutachtens nur dann, wenn ein konkretes gerichtliches Verfahren (einstweiliges Anordnungsverfahren) vermieden wurde. Soweit dieses nicht anhängig war, muss es zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bevorgestanden haben.
- Die Festsetzung der Verfahrenskostenhilfevergütung kann auch nach Ablauf des Folgejahres geändert werden, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen des Rechtsanwaltes nicht besteht, weil die Kostenbeamtin ihn vorher formlos zur Rückzahlung aufgefordert hatte.
OLG Celle, Beschl. v. 20.4.2015 – 15 WF 79/14
1 Sachverhalt
Gegenstand des Hauptsacheverfahrens ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die aus der Ehe des Antragstellers mit der Antragsgegnerin hervorgegangenen Kinder. Im Termin vom 5.10.2012 schlossen die Kindeseltern einen "Zwischenvergleich", wonach die Kinder derzeit ihren Lebensmittelpunkt beim Vater haben und eine Umgangsanbahnung über die Erziehungsberatungsstelle erfolgen soll. Gleichzeitig beschloss das AG die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Festsetzung der Verfahrenskostenhilfevergütung für den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers. Auf den Antrag seines Verfahrensbevollmächtigten erfolgte am 15.10.2012 die Festsetzung eines Vorschusses der u.a. auch eine 1,0-Einigungsgebühr beinhaltete.
Unter dem 11.4.2013 wies die Kostenbeamtin darauf hin, dass für einen Zwischenvergleich eine Vergütung nicht erstattet werden könnte und bat um Rückzahlung des zuviel gezahlten Betrages.
Da keine Rückzahlung erfolgte, legte der Bezirksrevisor am 18.2.2014 – eingegangen beim AG am 20.2.2014 – Erinnerung gegen die Festsetzung vom 15.10.2012 ein.
Die Kostenbeamtin half der Erinnerung ab und setzte die Einigungsgebühr von der zu erstattenden Vergütung ab. Die dagegen erhobene Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten wies das AG zurück. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers sein erstinstanzliches Anliegen weiter und beruft sich auf Verwirkung.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Insbesondere ist eine Verwirkung nicht eingetreten. Dabei kann offen bleiben, ob aufgrund der Fassung von § 56 Abs. 2 S. 1, 1. Hs. RVG eine entsprechende Anwendung von § 20 GKG überhaupt in Betracht kommt (zum Streitstand: Hartmann, KostG, 44. Aufl. 2014, § 56 RVG Rn 6).
Denn vorliegend ist jedenfalls das für eine Verwirkung erforderliche Vertrauensmoment (vgl. nur: Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl. 2015, § 242 Rn 95) nicht gegeben. Denn die Kostenbeamtin hat den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bereits mit Verfügung vom 11.4.2013 und damit rund ein halbes Jahr nach der ursprünglichen Festsetzung um Rückzahlung der Einigungsgebühr gebeten. Dabei ist unerheblich, dass die Kostenbeamtin selbst zu einer Abänderung der Vergütungsfestsetzung nicht befugt ist, weil sie – wie hier später erfolgt – jederzeit die Vorlage an den insoweit erinnerungsberechtigten Vertreter der Landeskasse verfügen kann. Die weitere Verzögerung beruht auf dem Fortgang des Hauptsacheverfahrens und der Durchführung des Beschwerdeverfahrens.
Ein schützenswerter Vertrauenstatbestand ist daher seitens des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers nicht gegeben.
2. Das AG hat auf die Erinnerung der Landeskasse zutreffend die Vergütung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gekürzt. Eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV ist nicht entstanden. Durch die Zwischenvereinbarung der Beteiligten ist keine der Alternativen der Anm. Abs. 2 zu Nr. 1003 VV verwirklicht worden.
Zur Frage, ob auch eine Zwischenvereinbarung in Kindschaftssachen eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV auslösen kann, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Einerseits wird vertreten, dass eine Einigungsgebühr ausgelöst werde, wenn der Inhalt der Einigung Gegenstand eines selbstständigen Verfahrens sein könnte und dieses und der damit verbundene Kostenaufwand durch die Einigung vermieden werden (OLG Oldenburg FamRZ 2014, 1939 Rn 10 [= AGS 2015, 69]; OLG Zweibrücken FamRZ 2014, 1939 Rn 8 f. [= AGS 2014, 269]; KG FamRZ 2014, 1940 Rn 2 f.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl. 2013, Nr. 1000 VV Rn 67). Nach einer anderen Auffassung (OLG Hamm v. 2.1.2013 – 6 WF 254/12, Rn 14 – juris [= AGS 2013, 226]) entsteht eine Einigungsgebühr für eine Zwischenvereinbarung nicht, wenn lediglich eine vorläufige Regelung bis zur abschließenden Entscheidung des Gerichts getroffen wird.
Der Senat folgt dem Wortlaut der Anm. Abs. 2 zu Nr. 1003 VV und damit im Ergebnis der letztgenannten Auffassung. Eine Einigungsgebühr für einen Zwischenvergleich kann nur in den von Abs. 2 der Anmerkung erfassten Fallkonstellationen entstehen. Nach dieser Anmerkung entsteht die Einigungsgebühr in Kindschaftssachen auch für die Mitwirkung beim Abschluss eines gerichtlich gebilligten Vergleiches (§ 156 Abs. 2 FamFG) und an einer Vereinbarung, über deren Gegensta...