Leitsatz
Eine volle Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV fällt auch dann an, wenn das Gericht in einem Termin, in dem eine Partei nicht erschienen ist, mit dem Prozessbevollmächtigten der Gegenpartei die Sach- und Rechtslage erörtert. Zur Glaubhaftmachung genügt die anwaltliche Versicherung.
OLG Jena, Beschl. v. 19.1.2015 – 1 W 18/15
1 Sachverhalt
In dem Termin zur mündlichen Verhandlung erschien für die Beklagte niemand. Ausweislich des Terminsprotokolls stellte der Klägervertreter die Anträge aus der Klageschrift und beantragte darüber hinaus den Erlass eines Versäumnisurteils, das antragsgemäß erlassen wurde. Danach hat die Beklagte u.a. die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Hiernach beantragte die Klägerin die Festsetzung der ihr entstandenen Kosten, darunter auch einer 1,2-Terminsgebühr. Die Klägerin hat hierzu in Bezug auf die volle Terminsgebühr unter anwaltlicher Versicherung vorgetragen, in dem Termin sei die Sach- und Rechtslage erörtert worden. Die Rechtspflegerin hat die Terminsgebühr lediglich in Höhe von 0,5 berücksichtigt.
Die dagegen erhobene Beschwerde der Klägerin hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Rechtspflegerin ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV nicht angefallen ist.
Eine volle Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV fällt auch dann an, wenn das Gericht in einem Termin, in dem eine Partei nicht erschienen ist, mit dem Prozessbevollmächtigten der Gegenpartei die Sach- und Rechtslage erörtert (BGH, Beschl. v. 24.1.2007 – IV ZB 21/06, NJW 2007, 1692 [= AGS 2007, 226]; OLG Naumburg JurBüro 2014, 581; KG MDR 2008, 1424 [= AGS 2009, 60]). So verhält es sich hier. Zwar ist in der Sitzungsniederschrift über den Termin nicht protokolliert, dass eine Erörterung der Sach- und Rechtslage erfolgt ist. Eine solche Protokollierung ist für das Entstehen der vollen Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV auch nicht erforderlich. Die Erörterung der Sach- und Rechtslage ist nach Wegfall der Erörterungsgebühr auf der Grundlage des RVG kein wesentlicher protokollierungsbedürftiger Vorgang der Verhandlung i.S.v. § 160 Abs. 2 ZPO, weil unmittelbare Rechtswirkungen an den Vorgang der Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht anknüpfen (OLG Frankfurt OLGR 2008, 271). Von einer Erörterung der Sach- und Rechtslage ist in dem vorliegenden Fall vielmehr aufgrund der anwaltlichen Versicherung der Klägerin auszugehen. Der Klägervertreter hat anwaltlich versichert, es sei eine Erörterung der Sach- und Rechtslage erfolgt, insbesondere in Bezug auf die Regelung des § 142 InsO. In dem Verfahren nach §§ 103 ff. ZPO ist es nicht erforderlich, dass sich die für die Festsetzung der beantragten Gebühren maßgeblichen Tatsachen ohne weitere Erhebungen aus der Gerichtsakte ergeben oder unstreitig sind (BGH, Beschl. v. 4.4.2007 – III ZB 79/06, NJW 2007, 2493 [= AGS 2007, 322]). Gem. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO genügt zur Berücksichtigung eines Ansatzes, dass er glaubhaft gemacht ist. Hierfür ist lediglich erforderlich, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Kostentatbestandes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen (BGH, Beschl. v. 4.4.2007 – III ZB 79/06, NJW 2007, 2493 [= AGS 2007, 322]). Zur Glaubhaftmachung können gem. § 294 Abs. 1 ZPO alle Beweismittel unter Einschluss der eidesstattlichen Versicherung verwendet werden (BGH, Beschl. v. 4.4.2007 – III ZB 79/06, NJW 2007, 2493 [= AGS 2007, 322]). Die anwaltliche Versicherung ist ein solches Mittel der Glaubhaftmachung (vgl. BGH, Beschl. v. 26.2.2013 – VI ZB 59/12, NJW 2013, 1823 Rn 11).
Demnach ist die volle Terminsgebühr entstanden und der Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin vom 6.6.2013 in vollem Umfang begründet.
Mitgeteilt von Reg.-Dir. a.D. Heinrich Hellstab, Berlin
3 Anmerkung
"My Fair RVG"
In dem wunderbaren Musical "My Fair Lady" hat es Prof. Higgins – relativ – leicht, muss er doch nur einer Eliza die Feinheiten ihrer Muttersprache nahebringen.
Der BGH – und wie man hier sieht – auch Oberlandesgerichte – sehen sich in der Rolle eines Sprachlehrers seit mehr als einem Jahrzehnt einer offenbar nicht endenden Anzahl von Elizas gegenüber, die das Wort vom RVG als unverstandenem Gesetz immer wieder bekräftigen.
Dass das RVG gewisse Schwierigkeiten mit sich bringt, mag man ja noch einräumen, und die geradezu inflationäre Erweiterung der Kommentarliteratur auf deutlich mehr als ein Dutzend Werke spricht sicherlich eine deutliche Sprache.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt auch, dass die Vorschriften der guten alten BRAGO längst nicht so viele Gerichte beschäftigt haben, wie es heute beim RVG der Fall ist.
Dass allerdings Rechtspfleger Fragen falsch beantworten, die schon seit Jahr und Tag vom BGH mit erfrischender Deutlichkeit beantwortet sind, erschreckt und verwundert schon ein wenig. Während man es bei Bezirksrevisoren teilweise beobachten muss, dass aus ersichtlich veralteten Vorauflagen zum RVG Meinungsäußerungen und Entscheidungen bemüht werden, um die Strafverteidigergebühren zu drücken, zeichnet sich im Zivilrecht und im dortigen Kostenfestsetzungsverfahren die Beurte...