Leitsatz
Wird der Anwalt im selben Verfahren sowohl für den Kläger als auch für den Drittwiderbeklagten tätig, so liegt nur eine Angelegenheit vor, so dass der Anwalt seine Gebühren und Auslagen insgesamt nur einmal abrechnen kann (Aufgabe von OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.11.2102 – 8 W 419/12, AGS 2013, 324).
OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.5.2016 – 8 W 396/14
1 Sachverhalt
Der Kläger hatte im vorliegenden Rechtsstreit gegen die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht Ansprüche auf Schadenersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend gemacht. Die streitgegenständliche Anlageberatung erfolgte gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau. Diese hat ihre Forderungen in Zusammenhang mit der behauptet fehlerhaften Anlageberatung an den Kläger abgetreten. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zugleich gegen die Ehefrau des Klägers Drittwiderklage erhoben, gerichtet auf Feststellung, dass (auch) ihr aus der streitgegenständlichen Kapitalanlage keine Ansprüche gegen die Beklagte zustehen. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte wurden durch die gleichen Prozessbevollmächtigten vertreten.
Der Rechtsstreit endete durch einen vor dem OLG geschlossenen Vergleich, im Rahmen dessen die Parteien folgende Kostenverteilung vereinbart haben:
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen bezüglich des Klägers und der Beklagten tragen der Kläger 81 %, die Beklagte 19 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten tragen die Beklagte 19 %, die Drittwiderbeklagte 81 %.
Durch Kostenfestsetzungsbeschluss v. 11.8.2014 hat die Rechtspflegerin des LG die aufgrund des Prozessvergleichs von der Beklagten an die Drittwiderbeklagte zu erstattenden Kosten auf 2.321,53 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Die Rechtspflegerin hat zur Begründung unter Hinweis auf eine Entscheidung des Senats v. 8.11.2012 (OLG Stuttgart/Senat AGS 2013, 324) ausgeführt, bei der im Wege der isolierten Drittwiderklage gegen den Zedenten erhobenen negativen Feststellungsklage entständen die Anwaltsgebühren auf Seiten des Klägers und der Drittwiderbeklagten jeweils in voller Höhe und seien auch erstattungsfähig.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde hinsichtlich der Höhe des festgesetzten Erstattungsbetrages. Nach Auffassung der Beklagten liegt dann, wenn wie hier ein Rechtsanwalt im selben Prozess Kläger und Drittwiderbeklagten vertritt, nur eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor.
Die Rechtspflegerin des LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
Der Einzelrichter des Beschwerdegerichts hat das Verfahren gem. § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat in voller Besetzung übertragen.
2 Aus den Gründen
Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Vertritt der Anwalt sowohl den Kläger als auch den Drittwiderbeklagten, so liegt für ihn nach ganz herrschender Auffassung nur eine Gebührenangelegenheit gem. §§ 7, 15, 22 RVG vor, so dass er seine Gebühren und Auslagen nur einmal erhält und gegebenenfalls die Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV verlangen kann (OLG Celle AGS 2015, 64; OLG Köln AGS 2015, 284; OLG München AnwBl 1995, 47; LG Düsseldorf AGS 2010, 321; Schneider/Wolf/Mayer, AnwaltKommentar RVG, 7. Aufl. 2014, § 15 RVG Rn 115). Soweit Klage und Widerklage verschiedene Gegenstände betreffen, sind die Werte von Klage und Widerklage zu addieren, eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV erfolgt in diesem Fall nicht (OLG Köln AGS 2015, 284).
Allgemeiner formuliert, liegt nur eine einzige Angelegenheit vor, wenn der Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber im selben Gerichtsverfahren vertritt (OLG Köln AGS 2015, 284; vgl. Norbert Schneider, AGS 2016, 62: "Ein gerichtliches Verfahren ist auch immer eine Angelegenheit").
Der BGH hat zuletzt in einem Fall mit einer Konstellation, wie sie vorliegend gegeben ist, die herrschende Auffassung bestätigt: verlangt der Kläger aus abgetretenem Recht Schadenersatz wegen fehlerhafter Beratung aus einem Anlagegeschäft und kommt es dann zu einer Drittwiderklage des Anlageberaters gegen den Zedenten auf Feststellung, dass dem Zedenten im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung keine Ansprüche zustehen, handelt es sich um dieselbe Angelegenheit i.S.d. §§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 RVG, so dass der Anwalt, der sowohl den Kläger als auch den Drittwiderbeklagten vertritt, seine Vergütung nur einmal erhält (BGH AGS 2016, 61).
Der Senat schließt sich nunmehr dieser Rspr. an. Soweit der Senat in der Entscheidung v. 8.11.2012 (OLG Stuttgart 8 W 419/12, AGS 2013, 324) die Auffassung vertreten hat, es lägen in so einem Fall mehrere Angelegenheiten vor, wird hieran nicht festgehalten.
2. Im vorliegenden Fall sind bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Drittwiderbeklagten insgesamt folgende Kosten angefallen:
I. Instanz
1,3-fache Verfahrensgebühr |
2.060,50 EUR |
gem. Nr. 3... |