Durch die Einlegung der Berufung hat die Beklagte eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV verdient. Der Gebührenanspruch nach Nr. 3200 VV entsteht bereits durch die Entgegennahme der Informationen, bzw. der Einreichung der Berufungsschrift, ohne dass die Berufung zugleich begründet werden müsste (Göttlich/Mümmler, RVG, 4. Aufl. 2012, Berufung 1.2.1; Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 15. Aufl., 2011 Nr. 3200 VV Rn 2; Hartung/Schons/Enders, RVG, 2011, Nr. 3200 VV Rn 7; Gerold/Schmidt, RVG 19. Aufl. 2010, Nr. 3200 VV Rn 1).
Richtigerweise wurde in der Kostennote dieser Verfahrensgebühr ein Gegenstandswert von 10.000,00 EUR zugrunde gelegt, nachdem die Berufung nur in dieser Höhe durchgeführt wurde. Der Gegenstandswert im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich gem. § 47 GKG i.V.m. § 23 Abs. 1 RVG nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (Göttlich/Mümmler, RVG, 4. Aufl. 2012, Berufung 2.0). Die Ansicht, dass dieser Gebühr die gesamte Beschwer i.H.v. 74.272,00 EUR zugrunde zu legen wäre, findet keine Stütze in der Rspr. oder Lit. und wird in der Berufungsinstanz auch von der Beklagten nicht mehr vertreten.
Weiterhin kann die Beklagte eine Gebühr nach Nr. 2100 VV geltend machen.
Die an die Stelle des § 20 Abs. 2 BRAGO getretene Rahmengebühr der Nr. 2100 VV fällt nach dem Text der Vorschrift bei Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels an und ist auf eine Gebühr für das Rechtsmittelverfahren anzurechnen. Die Gebühr der Nr. 2100 VV entsteht nach Abschluss der ersten Instanz bereits ohne gesonderte Beauftragung, wenn der in erster Instanz tätige Anwalt eine Prüfung der Erfolgsaussicht vornimmt (Hartung/Schons/Enders Nr. 2100 VV Rn 6; Meyer/Kroiß, RVG, 5. Aufl., 2012, Nr. 2100 VV Rn 6). Es ist für jeden Rat im Zusammenhang mit der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels verdient (Mayer/Kroiß Nr. 2100 VV Rn 1). Aus der Anrechnungsanordnung der Anm. zu Nr. 2100 VV folgt, dass die Gebühr auch dann anfallen kann, wenn ein Rechtsmittel tatsächlich durchgeführt wird. Es bedarf daher keines ausdrücklichen isolierten Beratungsauftrages.
Lebensnah ist davon auszugehen, dass ein Mandant, der vor Besprechung der Berufungsaussichten bereits den Auftrag für eine Berufungseinlegung erteilt hat, erwartet, dass er vor Durchführung der Berufung noch eine entsprechende – auch kostenpflichtige – Beratung zum Umfang der Verfolgung der Berufung erhält. Insoweit liegt ein konkludenter Beratungsauftrag vor, der gleichzeitig mit dem (zuvor unberatenen) Auftrag zur Berufungseinlegung erteilt wird. Das Ergebnis ist aus Sicht des Auftraggebers nicht unbillig, da er nach seiner laienhaften Vorstellung nicht davon ausgehen wird, dass die Beratungsleistung des Anwalts (soweit zu einer Nichtdurchführung der Berufung führt, kostenfrei erfolgt.
Soweit das OLG Hamm in einer Entscheidung v. 15.11.1984 (JurBüro 1985, 873) in einer vergleichbaren Situation einen Gebührenanspruch nach § 20 Abs. 2 BRAGO abgelehnt hat, stets dies einer Anwendung der Nr. 2100 VV nicht entgegen. Nach früherem Recht war die Gebühr nämlich als Abrategebühr ausgestaltet, nach dem RVG fällt sie aber nunmehr für jeden Rat im Zusammenhang mit der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels an (Mayer/Kroiß, Nr. 2100 VV Rn 1).
Die von der Beklagten in ihrer Kostennote geltend gemachte Gebühr von 1,0 ist auch in der Höhe angemessen. Die Ansetzung des Höchstwertes der von 0,5 – 1,0 reichenden Rahmengebühr rechtfertigt sich insbesondere daraus, dass es sich bei dem zugrunde liegenden Fall um eine rechtlich schwierige umfangreiche Arzthaftungssache mit insgesamt fünf Beklagten handelte. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das RVG auch für die Gebühr nach Nr. 3201 VV eine (vergleichbare) Höhe von 1,1 bestimmt.
Die Anschlussberufung der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache ebenfalls keinen Erfolg.
Die Kammer vermag der von der Beklagten in der Anschlussberufung vertretenen Ansicht, dass in Höhe der nicht weiter verfolgten Berufungssumme eine Gebühr nach Nr. 3201 VV angefallen ist, nicht zu folgen.
Nr. 3201 VV ist anzuwenden, wenn eine vorzeitige Beendigung des Auftrags zur Berufungseinlegung erfolgt. Eine vorzeitige Beendigung liegt nach dem Text der Nr. 3201 Nr. 1 VV dann vor, wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt das Rechtsmittel eingelegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Rechtsmittels enthält, eingereicht oder bevor er einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. Dabei gilt die Einlegung der Berufung selbst schon als Sachantrag (AnwK-RVG/N. Schneider, 5. Aufl. 2010, Nr. 3201 Rn 6). Dies führt dazu, dass die Gebühr nach Nr. 3201 VV für den Anwalt des Berufungsklägers insbesondere dann entsteht, wenn ihm der Auftrag zur Einlegung der Berufung erteilt worden ist, es zur Einlegung der Berufung aber nicht mehr kommt, weil der Anwalt etwa von der Durchführung der Berufung abgeraten hat (so AnwK-RVG/N. Schneider Nr. 3201 VV Rn 5).
Die Anwendung der Nr. 3201 VV kommt für den Berufungsklägeranwa...