Leitsatz
War der Antragsteller von einem Filmverleih wegen einer behaupteten Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen worden, haben die von ihm beauftragten Rechtsanwälte eine (modifizierte) Unterlassungserklärung abgegeben und die gegen den Antragsteller erhobenen Schadenersatzansprüche zurückgewiesen, kann von einer Erledigung des Auftrags i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG auszugehen sein.
OLG München, Beschl. v. 20.5.2015 – 11 W 663/15
1 Sachverhalt
Der Antragsteller war von einem Film-Verleih (im Folgenden: Anspruchsteller) wegen einer behaupteten Urheberrechtsverletzung i.S.v. § 97 UrhG (sog. "filesharing" über eine Internettauschbörse) in Anspruch genommen worden. Er hat hierauf einen Berechtigungsschein nach dem BerHG erhalten und sich damit an die Rechtsanwälte … gewandt.
Diese wurden für den Antragsteller tätig und erreichten, dass der Anspruchsteller eine (modifizierte) Unterlassungserklärung akzeptierte; ferner wies die Kanzlei … die gegen den Antragsteller erhobenen Schadenersatzansprüche zurück.
Die Vergütungsfestsetzung gem. § 55 RVG zugunsten der Kanzlei … lehnte zunächst die Rechtspflegerin mangels Fälligkeit der Vergütungsansprüche i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG ab. Die Angelegenheit sei nicht beendet, weil die gegen den Antragsteller geltend gemachten Schadenersatzansprüche noch nicht abschließend geklärt seien. Die Richterin bestätigte diese Entscheidung: Die beanspruchte Einigungsgebühr sei nicht angefallen; jedenfalls aber sei die Vergütung nicht fällig, weil nur ein Teil, nämlich der Komplex "Unterlassungserklärung", erledigt sei, nicht hingegen die Schadenersatzansprüche.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss änderte das LG diese Entscheidung ab und setzte die Vergütung antragsgemäß auf 303,45 EUR fest. Jedenfalls in Fällen wie hier, in denen die Schadenersatzansprüche auch nach Erledigung des Unterlassungsbegehrens automatisiert weiterbetrieben würden, sei die außergerichtliche Zurückweisung der Schadenersatzansprüche ausreichend, um die Angelegenheit als beendet und die Gebührenansprüche als fällig betrachten zu können.
Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde, die die Bezirksrevisorin insbesondere damit begründet, die Fälligkeit müsse auf die Angelegenheit insgesamt bezogen werden; erledigt sei jedoch nur die Unterlassungserklärung, nicht die Schadenersatzansprüche. Damit sei die Angelegenheit insgesamt noch nicht beendet.
2 Aus den Gründen
Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3, 6 RVG, 546, 547 ZPO zulässige weitere Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg; der Senat teilt die Rechtsauffassung des LG.
1. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zunächst auf dessen ausführliche und überzeugende Begründung Bezug genommen werden; diesen Ausführungen ist nahezu nichts hinzuzufügen.
2. Bei Betrachtung sämtlicher Umstände ist hier von einer Erledigung des Auftrages i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG auszugehen.
Die – außergerichtliche – Tätigkeit der Rechtsanwälte … für den Antragsteller war abgeschlossen. Nach deren, sich mit dem Akteninhalt deckenden, Vorbringen waren weitere Maßnahmen ihrerseits nicht mehr zu ergreifen, weshalb der Frage, "was man noch mehr tun könne", die Berechtigung nicht abgesprochen werden kann: Die Unterlassungserklärung war in modifizierter Form abgegeben und von den Anspruchstellern akzeptiert und die Schadensersatzansprüche zurückgewiesen worden – wobei davon auszugehen ist, dass hinsichtlich dieser Ansprüche weiterer Schriftverkehr weder erforderlich noch beabsichtigt war. Es war vielmehr Sache der Anspruchsteller, nunmehr gegebenenfalls eine – nach den Umständen hier wenig wahrscheinliche – Klage zu erheben.
Zumal hier, im Bereich des BerHG, das bei der Festsetzung der Vergütung besonders klarer Maßstäbe bedarf, war damit die anwaltliche Tätigkeit abgeschlossen und der "Auftrag erledigt", § 8 Abs. 1 S. 1 RVG, so dass die Fälligkeit nicht in Abrede gestellt werden kann (vgl. ergänzend auch Schneider, in: Schneider/Wolf, RVG, 7. Aufl., § 8 Rn 20, 45).
Der Senat hält die – nicht unoriginelle – Begründung in dem vorgelegten Beschluss des AG v. 14.3.2014 – 1 UR II 1019/13 für zutreffend.
Richtig ist insbesondere, dass es nicht Sache des Urkundsbeamten i.S.v. § 55 RVG sein kann, hier Prüfungen etwa hinsichtlich des Eintritts der Verjährung anzustellen; zutreffend erscheint auch die Ansicht der (ursprünglichen) Beschwerdeführer, wonach dem für eine gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwaltes geltenden § 8 Abs. 1 S. 2 RVG der Gedanke zu entnehmen ist, dass die Fälligkeit von Vergütungsansprüchen nicht ungebührlich lange hinausgezögert werden soll.
3 Hinweis der Schriftleitung
Siehe hierzu auch die Rechtsprechungsübersicht von Lissner auf S. 371 ff. in diesem Heft.
AGS, S. 440 - 441