Leitsatz
Erledigt sich ein arbeitsgerichtliches Urteilsverfahren durch Vergleich oder Rücknahme, erfolgt die Wertfestsetzung auf anwaltlichen Antrag nach § 33 Abs. 1 Alt. 2 RVG.
LAG Hamburg, Beschl. v. 9.11.2015 – 6 Ta 22/15
1 Sachverhalt
Im Ausgangsverfahren hatte der Kläger die Klage zurückgenommen. Auf Antrag seines damaligen Prozessbevollmächtigten hat das ArbG den Gegenstandswert des Verfahrens antragsgemäß auf 14.176,08 EUR festgesetzt. Der dem Kläger bzw. seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 13.3.2015 zugestellte Beschluss enthielt eine Rechtsmittelbelehrung, die u.a. darauf hinwies, dass die Frist für die Einlegung der Beschwerde zwei Wochen betrage und mit Zustellung des Beschlusses beginne.
Mit Schriftsatz v. 7.7.2015, beim ArbG eingegangen am 7.7.2015, hat sich ein neuer Prozessbevollmächtigter für den Kläger legitimiert, Beschwerde gegen den Gegenstandswertbeschluss v. 10.3.2015 eingelegt und beantragt, den Beschl. v. 10.3.2015 dahingehend abzuändern, dass der Gegenstandswert mit 686,16 EUR festgesetzt wird.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beschwerde sei nicht verfristet und damit zulässig. Das Gericht sei mit Blick auf die Rechtsmittelbelehrung zu Unrecht von einer Wertfestsetzung nach § 33 RVG und der zweiwöchigen Beschwerdefrist nach § 33 Abs. 3 S. 3 RVG ausgegangen. Nach h.M. ändere der Umstand, dass bei Beendigung eines Verfahrens durch Klagrücknahme nachträglich ein Ermäßigungstatbestand eintrete und keine Gerichtsgebühren zu erheben seien, nichts an der Anwendbarkeit des § 63 GKG und einer entsprechenden Wertfestsetzung. Unabhängig von einer etwaigen anderen Bezeichnung in der Antragstellung habe die Wertfestsetzung des Gerichts nach § 63 GKG zu erfolgen mit der Folge, dass sich auch die Beschwerdefrist nach den §§ 68 Abs. 1 S. 3, 63 Abs. 3 S. 2 GKG richte. Die entsprechende 6-Monats-Frist habe frühestens mit der Rücknahmeerklärung v. 14.1.2015 begonnen und sei bei Eingang der Beschwerde noch nicht abgelaufen.
Der ehemalige Prozessbevollmächtigte des Klägers hat zu der Beschwerde Stellung genommen. Er hält die Argumentation des Klägers für unzutreffend. Er ist der Meinung, die – nach seiner Darstellung nur auf Veranlassung des Rechtsschutzversicherers –eingelegte Beschwerde sei unzulässig, weil die Frist aus § 33 Abs. 3 RVG nicht gewahrt sei.
Das ArbG hat der Beschwerde mit Beschl. v. 17.9.2015 nicht abgeholfen und die Auffassung vertreten, ein Anwendungsfall des § 63 Abs. 2 GKG sei nicht gegeben.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist des Klägers ist gem. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG unzulässig, da die zweiwöchige Beschwerdefrist nicht gewahrt ist.
Entgegen der Auffassung des gegenwärtigen Prozessbevollmächtigten des Klägers greift die 2-Wochen-Frist aus § 33 Abs. 3 S. 3 RVG im vorliegenden Fall ein.
1. Ob sich die Wertfestsetzung bei Erledigung des arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits durch gerichtlichen Vergleich bzw. durch Klagrücknahme nach § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. § 32 Abs. 1 RVG oder nach § 33 Abs. 1 Alt. 2 RVG richtet, ist in Rspr. und Lit. umstritten. Zu folgen ist der Auffassung, die in dieser Situation eine Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 Alt. 2 RVG vornimmt.
Das formale Argument der Gegenauffassung, wonach durch die Klageerhebung nach der Verfahrensordnung grundsätzlich Gerichtsgebühren ausgelöst würden, die für die Rechtsanwaltsgebühren auch dann maßgeblich bleiben müssten und auf Antrag nach § 63 Abs. 2 S. 2 GKG festzusetzen wären, wenn die Gerichtsgebühren aufgrund einer Klagrücknahme oder eines Vergleichsschlusses nicht erhoben würden (so LAG Düsseldorf 5.12.2006 – 6 Ta 583/06, juris; LAG Hamm 28.4.2006 – 6 Ta 95/06, juris; LAG Baden-Württemberg 14.7.2011 – 5 Ta 101/11, juris), überzeugt nicht.
Denn eine Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren nach § 63 Abs. 2 S. 2 GKG setzt voraus, dass solche Gebühren zu erheben sind. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist dies nach einem Vergleichsschluss oder bei einer Klagrücknahme nicht der Fall. Benötigt ein am Verfahren beteiligter Rechtsanwalt in einer Situation, in der Gerichtskosten nicht erhoben werden, eine Wertfestsetzung allein als Berechnungsgrundlage für die Rechtsanwaltsgebühren, löst dieses Liquidationsinteresse kein Bedürfnis aus, eine Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren gem. § 63 Abs. 2 S. 2 GKG vorzunehmen. Einschlägig sind in dieser Situation vielmehr die sachnäheren Vorschriften des RVG, die eine Wertfestsetzung allein im anwaltlichen Interesse zum Gegenstand haben (grundlegend LAG Hessen 21.1.1999 – 15/6 Ta 630/98, juris; LAG Schleswig-Holstein 15.12.2011 – 6 Ta 198/11, juris m.w.N.; Schwab/Maatje, NZA 2011, 769 ff., 771).
2. Für den vorliegenden Fall heißt dies, dass es sich bei dem Beschl. v. 10.3.2015, mit dem das ArbG nach Rücknahme der Klage auf Antrag des vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers den Gegenstandswert des Verfahrens festgesetzt hat, um einen Beschluss nach § 33 Abs. 1 RVG handelt.
Gegen einen Wertfestsetzungsbeschluss nach § 33 Abs. 1 RVG kann die Partei innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung Beschwerde einlegen (§ 33 Abs. 3 S. 3 RVG). Eine...