ZPO § 91 RVG Nrn. 3401 ff.
Leitsatz
- Übersteigen die zu erwartenden Kosten des Unterbevollmächtigten die ersparten Reisekosten des Hauptbevollmächtigten um mehr als 10 %, steht dem Kostengläubiger lediglich ein Anspruch auf Erstattung von 100 % der ersparten Reisekosten des Hauptbevollmächtigten zu.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
OLG Celle, Beschl. v. 20.3.2014 – 2 W 57/14
1 Sachverhalt
Die in F. ansässige Klägerin hatte die in M. ansässigen Prozessbevollmächtigten mit der Vertretung vor dem LG Hannover beauftragt.
Es kam zu insgesamt zwei Verhandlungsterminen. In beiden Terminen ließ sich die Klägerin durch denselben Unterbevollmächtigten vertreten.
Im anschließenden Kostenerstattungsverfahren beantragte die Klägerin die Festsetzung der Gebühren des Unterbevollmächtigten in Höhe von 1.652,54 EUR gegen die zur Kostentragung verpflichtete Beklagte.
Die Rechtspflegerin forderte die Klägerin auf, fiktive Reisekosten für den Hauptbevollmächtigten darzulegen. Unter Zugrundelegung einer Flugreise mit der Lufthansa zum Tarif "Economy Flex" errechnete die Klägerin Kosten in Höhe von 1.003,52 EUR pro Termin, also 2.007,04 EUR insgesamt. Sie vertrat die Ansicht, den Bevollmächtigten sei darüber hinaus die Buchung im Tarif "Business Class" zuzubilligen, wodurch sich die Kosten noch einmal um etwa 440,00 EUR erhöhen würden.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss setzte die Rechtspflegerin die Kosten des Unterbevollmächtigten gegen die Beklagte nur auf 1.266,00 EUR fest. Zur Begründung führte sie aus, fiktive Reisekosten könnten nur für eine Reise mit der Deutschen Bahn erster Klasse geltend gemacht werden. Unter Hinzurechnung der An- und Abfahrt, Übernachtungskosten in Höhe von 100,00 EUR und Abwesenheitsgeld für zwei Tage ergäben sich Kosten in Höhe von 1.266,00 EUR.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der sie ihre Aufstellung über die fiktiven Reisekosten verteidigt. Sie meint überdies, die Rechtspflegerin habe zu Unrecht einen Zuschlag in Höhe der Überschreitungstoleranz von 10 % versagt.
Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht vorgelegt. Der Einzelrichter hat das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde hat nur in geringem Umfang Erfolg.
Die Klägerin kann Erstattung der Kosten für den Unterbevollmächtigten bis zur Grenze fiktiver Reisekosten verlangen.
Nach der std. Rspr. des BGH stellen die Kosten eines Unterbevollmächtigten dann notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO dar, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären (BGH, Beschl. v. 10.7.2012 – VIII ZB 106/11 [= AGS 2012, 200]). Maßgeblich ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Demnach sind die Kosten erstattungsfähig, wenn eine Vergleichsrechnung ergibt, dass sie unter den zu erwartenden (fiktiven) Reisekosten liegen.
1. Zutreffend hat die Rechtspflegerin entgegen der Ansicht der Klägerin für die danach anzustellende Vergleichsrechnung eine Anreise mit der Bahn zugrunde gelegt. Zu Unrecht meint die Klägerin, allein wegen der von ihr behaupteten Zeitersparnis stehe ihrem Hauptbevollmächtigten das Recht zu, mit dem Flugzeug anzureisen. Nach der Rspr. des Senats (Beschl. v. 30.10.2007 – 2 W 107/07) stellt das Interesse des Prozessbevollmächtigten, die Zeit seiner Abwesenheit von der Kanzlei möglichst gering zu halten, keinen berücksichtigungsfähigen Umstand bei der Wahl des Reisemittels dar. Dies steht auch im Einklang mit der Rspr. des BGH (BGH NJW-RR 2008, 654). Auch dieser billigt eine Erstattung von Flugkosten nur dann zu, wenn es sich um eine Auslandsreise handelt oder die Mehrkosten einer Flugreise nicht außer Verhältnis zu den Kosten der Benutzung der Bahn stehen.
2. Die Rechtspflegerin hat die fiktiven Reisekosten auch zutreffend mit 1.266,00 EUR ermittelt. Soweit für die Wege in H. keine Taxikosten in Ansatz gebracht wurden, ist dies nicht zu beanstanden. Gerichtsbekannt liegt das LG Hannover in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Ferner befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof auch mehrere Hotels. Taxikosten fallen daher nicht an.
Die somit für eine Anreise mit der Bahn anfallenden Kosten lagen schon aus der Ex-ante-Perspektive deutlich unter den von der Klägerin kalkulierten Kosten für eine Anreise mit dem Flugzeug. Die Kosten für eine Anreise mit dem Flugzeug in der Economy-Class übersteigen die oben kalkulierten Kosten um ca. 50 %.
Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, dass der Klägerin ohnehin lediglich die Kosten eines Fluges in der Economy-Class erstattet werden könnten (vgl. OLG Düsseldorf AGS 2009, 141, 142; OLG Köln AGS 2010, 566, 567).
3. Die Klägerin konnte auch – insofern anders als im vom BGH mit Beschl. v. 10.7.2012, N...