Zu Recht hat das LG wegen der Verfahrensgebühr, die aufgrund der Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Beklagten im gerichtlichen Verfahren angefallen ist, lediglich einen Betrag von 707,20 EUR zugunsten der Klägerin gegen die Beklagte festgesetzt. Zwar ist diese Gebühr gem. Nr. 3100 VV zu einem Satz von 1,3 angefallen und beträgt wegen des Streitwerts von 43.155,61 EUR 1.414,40 EUR. Jedoch ist auf sie gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV die Hälfte der infolge der vorgerichtlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach Nr. 2300 VV entstandenen Geschäftsgebühr anzurechnen, sodass die Klägerin ihrem Prozessbevollmächtigten wegen der Verfahrensgebühr nicht den Betrag von 1.414,40 EUR, sondern lediglich 707,20 EUR zu zahlen hat. Deshalb kann sie gem. § 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO auch nur die Erstattung dieses Betrages von der Beklagten beanspruchen.
Der Berücksichtigung der hälftigen Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr steht die Regelung des § 15a Abs. 2 RVG nicht entgegen. Dieser zufolge kann sich ein Dritter – also derjenige, der wie die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Vergütung nicht selbst schuldet – auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil die Beklagte mit dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des LG wegen der Geschäftsgebühr zur Zahlung an die Klägerin verurteilt worden ist.
Zwar findet eine Anrechnung gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV nicht statt, wenn zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten keine Geschäftsgebühr i.S.v. Nr. 2300 VV entstanden ist, sondern sie ihm für dessen vorgerichtliche Tätigkeit eine Vergütung aus einer Honorarvereinbarung schuldet. In einem solchen Fall findet die Vergütung ihre Rechtsgrundlage in der Vergütungsvereinbarung und nicht in den Vorschriften des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Das vereinbarte Honorar ist keine Geschäftsgebühr in diesem Sinne; die Anrechnung einer fiktiven Geschäftsgebühr scheidet aus (BGH, Beschl. v. 16.10.2014 – III ZB 13/14, AGS 2015, 147 m.w.N., zitiert nach juris).
Indes kann sich die Klägerin im Festsetzungsverfahren nicht darauf berufen, wegen des Bestehens einer Honorarvereinbarung sei keine Geschäftsgebühr entstanden, sodass die Verfahrensgebühr vollumfänglich zu erstatten sei. Sie muss sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an ihrem bisherigen, sowohl vorgerichtlich als auch im Rechtsstreit gehaltenen Sachvortrag, dem zufolge eine Geschäftsgebühr angefallen ist, festhalten lassen. Auf der Grundlage dieses Vortrags hat das LG die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Wenn die Klägerin nunmehr im Festsetzungsverfahren einen anderen Sachverhalt behauptet, handelt sie widersprüchlich und damit rechtsmissbräuchlich. Insoweit unterliegt der Grundsatz der Nichtanrechenbarkeit der aufgrund einer Honorarvereinbarung angefallenen Vergütung einer Einschränkung (vgl. zu einem durch Vergleich beendeten Rechtsstreit OLG Köln, Beschl. v. 30.10.2014 – 17 W 164/13, JurBüro 2014, 363 [= AGS 2014, 488] – zitiert nach juris, nachgehend BGH a.a.O.).
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat noch nicht entschieden, ob eine erstattungsberechtigte Partei mit der Folge rechtsmissbräuchlich handelt, dass sie sich nicht auf die Nichtanrechenbarkeit einer wegen einer Honorarvereinbarung für vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts zu zahlenden Vergütung auf die Verfahrensgebühr berufen kann, wenn sie zunächst wegen der Geschäftsgebühr ein Urteil erstreitet, dann aber im Kostenfestsetzungsverfahren vorträgt, sie habe mit ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit eine Honorarvereinbarung geschlossen. Diese Frage hat über den Einzelfall hinausgehende und damit grundsätzliche Bedeutung, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
AGS, S. 428 - 430