Entscheidungsstichwort (Thema)
Einschränkung der Nichtanrechenbarkeit aufgrund Honorarvereinbarung angefallener Vergütung bei widersprüchlichem Vortrag
Leitsatz (amtlich)
Eine erstattungsberechtigte Partei handelt mit der Folge rechtsmissbräuchlich, dass sie sich nicht auf die Nichtanrechenbarkeit einer wegen einer Honorarvereinbarung für vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts zu zahlenden Vergütung auf die Verfahrensgebühr berufen kann, wenn sie zunächst wegen einer vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr ein Urteil erstreitet, dann aber im Kostenfestsetzungsverfahren vorträgt, sie habe mit ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit eine Honorarvereinbarung geschlossen.
Normenkette
ZPO § 91; RVG § 15a; RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4; RVG-VV Nrn. 2300, 3100
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 23.02.2016; Aktenzeichen 2-26 O 79/15) |
Tenor
In der Beschwerdesache (...) wird die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 29.03.2016 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Frankfurt am Main vom 23.02.2016 zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt EUR 273,09.
Gründe
I. Mit Schriftsatz ihres späteren Prozessbevollmächtigten vom 10.11.2014 (Bl. 23, 24 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte vorgerichtlich zur Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde sowie zur Zahlung eines Betrages von EUR 1.434,40 auf. Zur Begründung dieser Zahlungsaufforderung vertrat sie die Ansicht, die Beklagte sei mit der Herausgabe der Bürgschaftsurkunde in Verzug geraten und deshalb verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der der Klägerin wegen der Vergütung entstanden sei, die sie aufgrund des vorgerichtlichen Tätigwerdens ihres späteren Prozessbevollmächtigten zu zahlen habe. Diese setze sich aus einer gemäß Nr. 2300 VV RVG aus einem Gegenstandswert von EUR 43.155,61 zu einem Satz von 1,3 angefallenen Geschäftsgebühr in Höhe von EUR 1.414,40 und einer Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen von EUR 20,- nach Nr. 7002 VV RVG zusammen.
Sodann erhob die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.03.2016 (Bl. 1 bis 6 d.A.) Klage, mit der sie beantragte, die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde und zur Zahlung von EUR 1.434,40 an die Klägerin zu verurteilen. Zum Zahlungsantrag führte sie aus, sie beanspruche insoweit Ersatz des wegen der vorgerichtlichen Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten eingetretenen Verzugsschadens und fügte zum Beweis eine Kopie des Schriftsatzes vom 10.11.2014 als Anlage K6 bei. Mit vorläufig vollstreckbarem Urteil vom 15.10.2015 (Bl. 141 bis 145 d.A.) verurteilte das LG die Beklagte gemäß den Anträgen der Klägerin und bestimmte, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung an die Klägerin begründete das LG mit dem Bestehen eines Schadensersatzanspruchs in Höhe der vorgerichtlich angefallenen "Anwaltskosten".
Mit am 22.10.2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 20.10.2015 (Bl. 146, 147 d.A.) hat die Klägerin beantragt, neben anderen Kosten auch den Betrag von EUR 1.414,40 zu ihren Gunsten gegen die Beklagte festzusetzen, da sie ihrem Prozessbevollmächtigten eine gemäß Nr. 3100 VV RVG zu einem Satz von 1,3 angefallene Verfahrensgebühr aus dem Streitwert von EUR 43,155,61 schulde. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, wegen der Honorarvereinbarung könne sie die Erstattung der EUR 1.414,40 vollumfänglich beanspruchen, die Geschäftsgebühr sei nicht gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Sie hat dazu behauptet, sie habe mit ihrem Prozessbevollmächtigen am 06.11.2014 eine schriftliche Honorarvereinbarung geschlossen, und eine Kopie der entsprechenden Urkunde zur Akte gereicht (Bl. 163 d.A.). Dieser Honorarvereinbarung zufolge erhalte der Prozessbevollmächtigte für seine vorgerichtliche Tätigkeit ein Zeithonorar von EUR 200,- je Stunde, dessen Anrechnung auf spätere gesetzliche Gebühren ausgeschlossen sei. Nach dieser Honorarvereinbarung habe ihr Prozessbevollmächtigter für seine vorgerichtliche Tätigkeit ein Honorar in Rechnung gestellt, dass die Höhe der Geschäftsgebühr übersteige.
Die Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 28.10.2015 (Bl. 152, 153 d.A.) und vom 29.12.2015 (Bl. 161 bis 163 d.A.) zum Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin Stellung genommen und sich darauf berufen, dass die vorgerichtlich angefallene Geschäftsgebühr hälftig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.02.2016 (Bl. 171, 172 d.A.) hat das LG wegen der Verfahrensgebühr lediglich den Betrag von EUR 707,20 zugunsten der Klägerin gegen die Beklagte festgesetzt. Es hat dazu ausgeführt, die von Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgesehene hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr sei gemäß § 15a RVG zu berücksichtigen, weil die Beklagte zur Zahlung der Geschäftsgebühr verurteilt worden sei.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 29.03.2016 (...