Die Entscheidung des VG Schleswig-Holstein ist unzutreffend. Es ist vielmehr der Auffassung des VG Düsseldorf sowie des VG Oldenburg zu folgen.
Die Frage, wann eine fiktive Terminsgebühr bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entsteht, ist höchst strittig.
Zum einen wird die Auffassung vertreten, Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3104 VV erfasse nur den Fall des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, also dass kein Rechtsmittel gegeben sei, nicht aber den Fall des § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, wonach Antrag auf mündliche Verhandlung oder auf Zulassung der Berufung gestellt werden könne. Dies widerspricht aber dem Wortlaut der Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3104 VV, weil der Antrag auf Zulassung der Berufung kein Rechtsmittel ist, sondern dieses erst zulassen soll und der Erfolg dieses Antrags in der Praxis höchst fraglich ist. Daher hat das VG Oldenburg diese Auffassung auch zu Recht abgelehnt.
Des Weiteren wird vertreten, der Anwalt könne die fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3104 VV nur dann verlangen, wenn seine Partei durch den Gerichtsbescheid beschwert sei. Anderenfalls könne seine Partei mangels Beschwer keinen zulässigen Antrag stellen, sodass für ihn die fiktive Terminsgebühr ausscheide. Auch dies ist unzutreffend. Hierzu muss man die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift betrachten. Ursprünglich war im RVG vorgesehen, dass bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid immer die fiktive Terminsgebühr anfallen sollte. Der Gesetzgeber hat mit dem 2. KostRMoG den Anwendungsbereich reduziert, weil er erkannt hat, dass bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist. Eine fiktive Terminsgebühr sollte jedoch grundsätzlich nur in solchen Fällen entstehen, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Daher hat der Gesetzgeber mit dem 2. KostRMoG die Terminsgebühr auf die Fälle beschränken wollen, in denen eine mündliche Verhandlung erzwungen werden kann. Dabei wollte der Gesetzgeber aber nicht darauf abstellen, welche Partei den Antrag stellen kann. Er wollte nur generell darauf abstellen, dass mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Damit sollten auch die Fälle erfasst werden, in denen nicht der vom Anwalt vertretene Kläger den Antrag auf mündliche Verhandlung stellen kann, sondern die unterlegene Beklagte.
Insoweit ist bereits von DAV und BRAK angeregt, die Vorschrift dahingehend zu ändern, dass im Falle eines Gerichtsbescheids die Terminsgebühr anfällt, wenn "eine der Parteien" den Antrag auf mündliche Verhandlung stellen kann.
Norbert Schneider
AGS, S. 388 - 390