RVG VV Anm. zu Nr. 3202, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104; FamFG §§ 68, 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 128 Abs. 1
Leitsatz
In zweitinstanzlichen Familienstreitsachen fällt die Terminsgebühr gem. Anm. zu Nr. 3202 VV i.V.m. Anm. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV auch dann an, wenn durch Anerkenntnisbeschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.5.2017 – 8 WF 106/17
1 Sachverhalt
Die Antragsgegnerin hatte sich in einem vor dem Familiensenat geführten Beschwerdeverfahren gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt zur Wehr gesetzt. Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens hat der Vorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt und der Senat in einem späteren Beschluss dem Antragsteller empfohlen, den Beschwerdeantrag der Antragsgegnerin anzuerkennen. Auf das daraufhin erklärte Anerkenntnis des Antragsgegners hat der Senat der Berufung durch Anerkenntnisbeschluss stattgegeben und der Vorsitzende den Termin aufgehoben.
Für das Beschwerdeverfahren war der Antragsgegnerin unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten, des Beschwerdeführers, Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden.
Das AG hat die den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrenskostenhilfevergütung für das Beschwerdeverfahren unter Ansatz einer 1,3-Verfahrensgebühr zuzüglich Pauschale gem. Nr. 7002 VV und 19 % Umsatzsteuer auf 551,21 EUR festgesetzt. Die beantragte Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV wurde abgesetzt, die von den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin hiergegen eingelegte Erinnerung wurde durch Beschluss der Richterin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin, der das AG nicht abgeholfen hat.
2 Aus den Gründen
Die gem. § 56 RVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die von den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin geltend gemachte Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV ist angefallen. Sie setzt gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV neben der – hier gegebenen – Anerkenntnisentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 307 ZPO ein Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, voraus. In zweitinstanzlichen Familienstreitsachen ist hierfür § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG maßgeblich, wonach das Beschwerdegericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen kann, wenn diese bereits im ersten Rechtszug stattgefunden hat und von einer erneuten Durchführung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Hieraus wird der Schluss gezogen, dass eine Terminsgebühr gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV nicht anfalle, da die Durchführung der mündlichen Verhandlung im pflichtgemäßen Ermessen des Beschwerdegerichts stehe (OLG Celle FF 2013, 168; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., VV 3104, Rn 23 unter Hinweis auf eine Entscheidung des KG in FamRZ 2012, 812, bei der die Terminsgebühr gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV aber schon deswegen nicht anzusetzen war, weil weder im Einverständnis mit den Parteien noch auf Grundlage von § 307 ZPO oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wurde).
Dieser Auffassung vermag das Beschwerdegericht nicht zu folgen. § 68 Abs. 3 S. 1 FamFG verweist für das Beschwerdeverfahren auf die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Für dieses gilt in Familienstreitsachen gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die Vorschrift des § 128 Abs. 1 ZPO, wonach eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (Weber, in: Keidel, FamFG, 19. Aufl., § 113, Rn 8); obwohl die Entscheidung in Beschlussform ergeht, kommt § 128 Abs. 4 ZPO nicht zur Anwendung (OLG Hamm AGS 2012, 16 m. zust. Anm. N. Schneider; Helms in Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 113, Rn 14). Auch wenn § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG von dem Grundsatz der obligatorischen mündlichen Verhandlung für das Beschwerdeverfahren in das Ermessen des Beschwerdegerichts gestellte Ausnahmen zulässt, handelt es sich bei dem Beschwerdeverfahren in Familienstreitsachen dennoch um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung i.S.v. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV (so auch N. Schneider, FF 2013, 152 f.).
Der zugunsten der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin festgesetzten Verfahrenskostenhilfevergütung i.H.v. 551,21 EUR war mithin noch eine 1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV i.V.m. § 49 RVG aus einem Gegenstandswert von 10.688,00 EUR, mithin ein Betrag i.H.v. 385,20 EUR zuzüglich Umsatzsteuer hinzuzusetzen.
3 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend. Häufig wird – wie hier auch vom Urkundsbeamten und vom Richter am FamG – nicht hinreichend unterschieden zwischen der Frage, ob eine mündliche Verhandlung grundsätzlich vorgeschrieben ist und der Frage, ob in Ausnahmefällen das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden darf. Beides ist voneinander zu trennen.
Allein die Möglichkeit, dass ein Gericht in bestimmten Fällen ohne mündliche Verhandlung entscheiden darf, ändert nichts daran, dass grundsätzlich die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Anderenfalls bedürfe es solcher A...