Die Beschwerde, über die gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG die Einzelrichterin entscheidet, ist zulässig und begründet. Dem Beschwerdeführer steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch i.H.v. 202,03 EUR gegen die Staatskasse aus §§ 45 ff. RVG auch nach Festsetzung der Kosten gegenüber dem unterlegenen Beklagten mit Kostenfestsetzungsbeschluss v. 24.6.2015 unter Anrechnung dieser Kostenerstattung auf die Vergütung, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht (§ 58 Abs. 2 RVG), zu.

Zu Unrecht ist das VG dem ablehnenden Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten v. 24.9.2015 folgend davon ausgegangen, dass nach Festsetzung der Kosten i.H.v. 606,10 EUR gegenüber dem teilweise unterlegenen Beklagten mit Kostenfestsetzungsbeschluss v. 24.6.2015 ein Vergütungsanspruch aus der mit Beschluss des VG v. 26.3.2015 zu einem Anteil von ¾ bewilligten Prozesskostenhilfe nicht mehr bestehe (unter Verweis auf BayVGH, Beschl. v. 17.8.2006 – 24 C 06.1404, juris). Zwar hat das VG zu Recht darauf hingewiesen, dass der beigeordnete Rechtsanwalt wählen kann, ob er die Staatskasse oder den in die Prozesskosten verurteilten Prozessgegner in Anspruch nimmt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 17.8.2006 – 24 C 06.1404, juris; Hartmann, KostG, 47. Aufl., 2017, § 59 RVG Rn 8). Soweit jedoch der vom Prozessgegner zu erstattende Betrag zur Deckung der Anwaltskosten nicht ausreicht, darf der beigeordnete Rechtsanwalt die Zahlungen der Staatskasse zunächst auf diejenigen Kosten verrechnen, für die der Gegner nicht haftet (vgl. Hartmann, KostG, 47. Aufl., 2017, § 59 Rn 18). Im Rahmen der Anrechnungsvorschrift des § 58 Abs. 2 RVG und mit der Konsequenz des Forderungsübergangs nach § 59 Abs. 1 RVG bestehen Vergütungsansprüche aus bewilligter Prozesskostenhilfe neben einem Kostenerstattungsanspruch gegen die unterlegene Partei. Unter Berücksichtigung des Wahlrechts des Rechtsanwaltes, eines nicht bestehenden Rangverhältnisses der Inanspruchnahme und der Anrechnung der Kostenerstattung der gegnerischen Partei auf den Teil der Rechtsanwaltsvergütung, für den kein Anspruch gegen die Staatskasse besteht (§ 58 Abs. 2 RVG), kann der Klägerbevollmächtigte vorliegend einen Restbetrag von 202,03 EUR (808,13 EUR Regelanwaltsvergütung abzüglich geleisteter Kostenerstattung i.H.v. 606,10 EUR) beanspruchen (vgl. nachfolgend 1.). Dem steht auch nicht entgegen, dass vorliegend Prozesskostenhilfe nur zu einem Anteil von ¾ bewilligt wurde (vgl. nachfolgend 2.).

1. Ebenso wenig wie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe den Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner ausschließt (vgl. BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – VII ZB 56/08, juris Rn 7), führt eine geleistete, teilweise Kostenerstattung zum Nachrang oder zum Erlöschen des Vergütungsanspruchs im Rahmen der Prozesskostenhilfe. Vielmehr bestehen der Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner, der sich nach der Wahlanwaltsvergütung (§§ 13 ff. RVG) richtet, und der Vergütungsanspruch im Rahmen der Prozesskostenhilfe (§§ 45 ff. RVG) im Rahmen der Anrechnungsvorschrift des § 58 Abs. 2 RVG und unter Berücksichtigung eines eventuellen Forderungsübergangs nach § 59 RVG nebeneinander.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entspricht dem sozialstaatlichen Gebot einer weitgehenden Gleichstellung von Bemittelten und Unbemittelten im Rechtsschutzbereich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.9.2003 – 1 BvR 2072/02, NJW-RR 2004, 61). Das Prozesskostenhilfeverfahren ist ein parteieinseitiges Verfahren der Daseinsfürsorge im Rechtsbereich. Der Prozessgegner ist – abgesehen von seinem Recht zur Stellungnahme nach § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO – nicht Beteiligter des Prozesskostenhilfeverfahrens.

Nach der gesetzlichen Struktur der Prozesskostenhilfe erwirbt der beigeordnete Rechtsanwalt einen gesonderten Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, der zu demjenigen gegen den Mandanten hinzutritt. Mit der Beiordnung und den entsprechenden anwaltlichen Tätigkeiten entstehen gegen die Staatskasse also eigene Vergütungsansprüche (es erfolgt kein Schuldbeitritt der Staatskasse, geschweige denn eine Schuldübernahme), die von der Wahlanwaltsvergütung unabhängig sind. Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse nach §§ 45 ff. RVG muss auch vom Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner streng unterschieden werden. Schuldner und Gläubiger innerhalb der beiden Rechtsverhältnisse sind unterschiedlich, auch wenn es sich im vorliegenden Verfahren beim Beklagten und der Staatskasse um denselben Rechtsträger handelt. Die Wahlanwaltsvergütung darf bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe zwar nicht mehr gegen den Mandanten selbst durchgesetzt werden (vgl. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), die Verpflichtung des Prozessgegners zur Kostenerstattung – auf der Basis der Wahlanwaltsvergütung – bleibt jedoch davon unberührt (vgl. § 123 ZPO). Schon diese generellen Erwägungen verbieten es, die Zahlungen des Prozessgegners als Erfüllung der Vergütungsforderung gegen die Staatskasse anzusehen (vgl. Bayerisches LSG, Beschl. v. 3.7.2013 – L 15 SF 2...

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