RVG VV Nrn. 3100, 3101 ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Im Falle eines erfolgreichen Kostenwiderspruchs ist von dem insoweit unterliegenden Antragsteller neben der 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert eine 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens zu erstatten, wenn der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners einen umfassenden, nicht auf die Kostenfrage beschränkten Verfahrensauftrag hatte (Festhaltung Senat AGS 2005, 496).
OLG München, Beschl. v. 14.9.2012 – 11 W 1552/12
1 Sachverhalt
Das LG hatte gegen die Antragsgegnerin wegen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs ohne vorherige Anhörung im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung erlassen. Die Antragsgegnerin hat ihre Prozessbevollmächtigten mit der Prüfung der Sach- und Rechtslage beauftragt und sich zur Abgabe einer umfassenden Abschlusserklärung mit ausdrücklichem Verzicht auf einen Widerspruch entschlossen. Gegen die einstweilige Verfügung sind lediglich ein Kostenwiderspruch und Streitwertbeschwerde eingelegt worden. Das LG hat mit Endurteil die einstweilige Verfügung dahin abgeändert, dass die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Kostenwiderspruchs die Antragstellerin zu tragen habe. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG zurückgewiesen.
Die Rechtspflegerin hat die von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten beider Rechtszüge auf 1.849,80 EUR festgesetzt und dabei antragsgem. neben einer 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert auch eine 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Wert der Hauptsache berücksichtigt.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Festsetzung von zwei Verfahrensgebühren. Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragsgegnervertreter seien nur mit der Vertretung im Kostenwiderspruchsverfahren beauftragt gewesen. Es sei somit nur die Verfahrensgebühr aus dem Wert des Kostenwiderspruchsverfahrens angefallen. Selbst wenn zwei Verfahrensgebühren entstanden sein sollten, müsste eine Anrechnung erfolgen. Das gelte erst recht für die Telekommunikationspauschale.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Wenn einem Rechtsanwalt, gegen dessen Auftraggeber im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung auf wettbewerbsrechtliche Unterlassung ergangen ist, ausschließlich der Auftrag erteilt wird, im Kostenpunkt Widerspruch zu erheben, entsteht für ihn nach nahezu einhelliger Auffassung nur eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert (BGH NJW-RR 2003, 1293 = JurBüro 2003, 466 = AnwBl 2003, 592; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., Anhang II Rn 50).
2. Im vorliegenden Fall hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin jedoch unwidersprochen vorgetragen, er sei von seiner Partei nicht nur mit der Einlegung eines Kostenwiderspruchs beauftragt, sondern umfassend bevollmächtigt worden. Lediglich aus prozessualen Erwägungen heraus sei gegen die einstweilige Verfügung kein Widerspruch eingelegt worden. Im Falle eines umfassenden Verfahrensauftrags entsteht zunächst eine 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert, auch wenn letztlich nur ein Kostenwiderspruch eingelegt wird, für den zusätzlich eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert anfällt, wobei dann die Obergrenze aus § 15 Abs. 3 RVG zu beachten ist (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Anhang II Rn 51).
3. Streitig ist allerdings, ob die 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert auch vom unterlegenen Prozessgegner zu erstatten ist.
a) Die wohl h.M. vertritt die Auffassung, dass im Falle einer Beschränkung der Tätigkeit des Antragsgegnervertreters auf einen Kostenwiderspruch vom Prozessgegner auch dann nur eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert zu erstatten ist, wenn der Prozessbevollmächtigte einen weiter gehenden Auftrag hatte. Begründet wird dies mit der Erwägung, dass die Kosten einer anwaltlichen Beratung, die nicht dem Führen, sondern der Vermeidung eines Rechtsstreits diene, nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO anzusehen seien (so zum früheren Recht nach der BRAGO: BGH NJW-RR 2003, 1293 = JurBüro 2003, 466 m.w.N.; OLG Hamburg MDR 2009, 174; OLG Karlsruhe MDR 2007, 1455; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rn 13, Stichwort "Kostenwiderspruch").
b) Nach der Rspr. des Senats sind dagegen die bei einem Anerkenntnis geltenden Grundsätze heranzuziehen. Ein erfolgreicher Kostenwiderspruch steht einem sofortigen Anerkenntnis i.S.v. § 93 ZPO nahe, das eine auch zu erstattende 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert auslöst. In beiden Fällen wird der (Antrags-)Gegner in unberechtigter Weise mit einer prozessualen Maßnahme (einer Klage ohne In-Verzug-Setzung bzw. einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Abmahnung) überzogen. Im Fall des Kostenwiderspruchs ist deshalb neben der 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert auch eine 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Wert des Verfügungsverfahrens, also dem Hauptsachewert, zu erstatten, wenn der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners einen umfassenden, nicht auf...