Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob und wann die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei fehlender Konsensfähigkeit der Eltern in Betracht kommt.

 

Sachverhalt

Die Eltern einer im August 1998 geborenen Tochter stritten um die elterliche Sorge. Der Kindesvater begehrte die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge, die Kindesmutter die Übertragung des alleinigen elterlichen Sorgerechts, hilfsweise des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich.

Nach einer Auseinandersetzung der Eltern im Oktober 2005 in Anwesenheit der Tochter hat die Kindesmutter jegliche Kommunikation und Kooperation mit dem Kindesvater in Belangen der Tochter strikt abgelehnt. Jahrelang gab es zwischen den Eltern wegen der ablehnenden Haltung der Kindesmutter keinerlei Verständigung bezüglich der Belange und Interessen des gemeinsamen Kindes. Die Kindesmutter hielt Mediationsversuche für sinnlos. Die wenigen Kommunikationsversuche endeten regelmäßig in - teils heftigen - verbalen Auseinandersetzungen.

Nach Abtrennung der Folgesachen Umgang und Sorgerecht aus dem Ehescheidungsverbund wurde ein Umgangspfleger eingesetzt und die Einholung des familienpsychologischen Gutachtens angeordnet. Die Gutachterin sprach wegen erheblicher Beeinträchtigung der Kooperationsfähigkeit der Eltern die Empfehlung aus, die elterliche Sorge für die Tochter bis auf weiteres nicht gemeinsam auszuüben. Dieser Empfehlung schloss sich das Jugendamt an.

Das AG hat mit Beschluss vom 22.4.2009 den Antrag der Kindesmutter auf Übertragung des alleinigen elterlichen Sorgerechts zurückgewiesen. Sie habe keine tragfähigen Gründe für ihre fehlende Kooperationsbereitschaft anführen können. Gegen diese Entscheidung wandte sich die Kindesmutter mit der Beschwerde. Ihr Rechtsmittel war erfolgreich, führte zur Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses und zur Übertragung der elterlichen Sorge auf sie.

 

Entscheidung

Das OLG kam zu dem Ergebnis, das AG habe zu Unrecht die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge für die Tochter der Parteien und die Übertragung des Sorgerechts auf die Kindesmutter abgelehnt.

Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setze ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige, soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BVerfG FF 2009, 416; FamRZ 2004, 354/355 und 1015/1016; BGH FamRZ 1982, 1179; 2008, 592).

Im vorliegenden Fall sei durch das wechselseitige schriftsätzliche Vorbringen und das Verhalten der Parteien anlässlich ihrer persönlichen Anhörung überdeutlich geworden, dass gegenwärtig und auf absehbare Zeit eine tragfähige Kommunikations- und Kooperationsbasis für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge bestehe.

Die Kindesmutter lehne ausdrücklich und strikt jedes persönliche Gespräch mit dem Kindesvater ab und habe jede Beratung, Mediation und ähnliche Maßnahme mit dem Ziel der Wiederherstellung einer zumindest auf das Wohl und die Interessen der Tochter bezogene Gesprächsebene mit dem Kindesvater abgelehnt. Eine bloße Pflicht zur Konsensfindung könne eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht ersetzen. Nicht schon das Bestehen der Pflicht alleine sei dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität nicht verordnen lasse (vgl. KG FamRZ 2000, 504/505; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1671 Rz. 36.c; Staudinger/Coester, BGB [2004] § 1671 137; Oelkers, FuR 1999, 349/351).

Die Auffassung des Kindesvaters laufe im Ergebnis darauf hinaus, das pflichtwidrige Verhalten des nicht kooperierenden Elternteils mit einer aufgezwungenen gemeinsamen elterlichen Sorge sanktionieren zu wollen, um auf diese Weise den Elternrechten des anderen kooperationsfähigen und -willigen Elternteils Geltung zu verschaffen. Die am Kindeswohl auszurichtende rechtliche Organisationsform der Elternsorge sei hierfür jedoch grundsätzlich kein geeignetes Instrument.

Im vorliegenden Fall führe an der Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge insgesamt kein Weg vorbei.

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 14.12.2009, 9 UF 66/09

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