Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Bei vorhandener Gemeinschaftsempfangsanlage (Satellitenempfangsanlage) rechtfertigt auch das Grundrecht der Informationsfreiheit nicht die Anbringung einer Parabolantenne
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 15 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG
Kommentar
1. Die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes kann nur dann nachteilig im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG und § 14 Nr. 1 WEG gewertet werden, wenn sie von außen sichtbar ist; andernfalls kann von einer Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes naturgemäß nicht gesprochen werden. Es reicht aber aus, dass die bauliche Veränderung überhaupt für Dritte von außen sichtbar ist, sei es von der Wohnung eines anderen Eigentümers, von der Straße, vom Hof oder einer Grünanlage oder auch von einem anderen Grundstück aus; weitere Einschränkungen sind hier nicht geboten.
2. Nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen vorzunehmender Abwägung widerstreitender Interessen, einerseits des aus Art. 14 GG hergeleiteten Interesses der Wohnungseigentümergemeinschaft am Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums und andererseits des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Rechts eines Eigentümers auf umfassende Information durch den Rundfunk (Fernsehen und Hörfunk), wurde hier zu Recht durch die Vorinstanzen ohne Rechtsfehler zugunsten der Gemeinschaft der Eigentümer entschieden. Über die Gemeinschaftsempfangsanlage konnte hier die Antragstellerseite 13 Fernsehprogramme völlig störungsfrei und weitere 4 Programme in angemessenem Abstand vom Bildschirm so gut wie störungsfrei empfangen; bei einem Sender hätten sich allerdings "leichte Schatten bzw. Doppelkonturen" gezeigt, die durch Reflexion an metallischen Gebäudeteilen von benachbarten Häusern oder Baukränen herrühren dürften. Ferner konnte die Antragstellerseite alle Rundfunksender im Empfangsbereich der UKW-Welle einwandfrei hören. Mit diesen Empfangsmöglichkeiten, die nicht hinter denen über ein Breitbandkabel zurückstehen, ist dem grundrechtlich geschützten Informationsinteresse der Antragstellerseite in ausreichendem Maße Rechnung getragen; es gilt hier das Gleiche wie bei anderen deutschen Wohnungseigentümern, die an das Breitbandkabel angeschlossen sind. Als wesentlicher Nachteil ist auch die Tatsache anzusehen, dass keinem der übrigen Eigentümer gleiche Berechtigung zur separaten Anbringung von Parabolantennen versagt werden könnte, was aller Voraussicht nach höchst nachteilige Folgen für das Erscheinungsbild der Wohnanlage hätte.
Leidet eine gemeinschaftliche Empfangsanlage an behebbaren Mängeln, kann ohnehin jeder Eigentümer gem. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG Verbesserungsansprüche durchsetzen.
Unter Hinweis auf das Grundrecht der Informationsfreiheit gibt es in einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht das Recht, alle theoretisch erreichbaren Fernseh- und Hörfunkprogramme auch wirklich empfangen und die dazu nötigen Empfangsanlagen errichten zu dürfen. Auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nicht, dass dem Grundrecht der Informationsfreiheit von vornherein ein größeres Gewicht als den Interessen der Gemeinschaft zukäme (vgl. BVerfG v. 10. 3. 1993, NJW 93, 1252; 1995, 1665; BayObLGZ 94, 327/330; OLG Frankfurt, ZMR 97, 607).
Auch das BVerfG (NJW 93, 1252) hält die Beschränkung eines Mieters auf den Empfang der Hörfunkprogramme, die über die Ultrakurzwelle gesendet werden, für verfassungsrechtlich unbedenklich. Moderne Rundfunkgeräte können i.Ü. über eingebaute Antennen für den Empfang von Mittel- und Langwellenprogrammen verfügen; außerdem besteht die Möglichkeit zur Anbringung solcher Antennen innerhalb einer Wohnung, falls der Empfang dieser Hörfunkprogramme wirklich gewünscht wird.
Grundsätzlich hat ein Eigentümer also nicht das Recht, ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer auf seinem Balkon eine Parabolantenne anzubringen; dies gilt auch dann, wenn er sein Verlangen damit begründet, er lege Wert auf den störungsfreien Empfang aller (auch weiterer) Fernsehprogramme sowie der über Lang-, Mittel- und Kurzwelle ausgestrahlten Rundfunkprogramme.
3. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert dieser Instanz von DM 6.000.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 29.01.1999, 2Z BR 135/98)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer