Leitsatz
Der Unternehmer hat bei der Ausführung eines Werks die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Tut er dies nicht, so liegt i.d.R. ein Mangel vor, unabhängig davon, ob eine Gebrauchsbeeinträchtigung des Werks festzustellen ist.
Sachverhalt
Die Klägerin beauftragte den Beklagten mit der Lieferung und dem Einbau einer Massivholztreppe in ihrem Einfamilienhaus. In dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag wurde eine Wangenstärke von 40 mm vereinbart. Im Oktober 2006 baute der Beklagte die Treppe ein. Die Klägerin rügte verschiedene Mängel: Die Treppe biege sich beim Begehen durch, die Stufen verursachten Knarrgeräusche, die Stufen seien für die Belastung insgesamt zu schwach ausgelegt.
Mehrere Nachbesserungsversuche des Beklagten führten zu keinem Erfolg. Weitere Nachbesserungsverlangen lehnte der beklagte Handwerker endgültig ab. Die Klägerin vertrat die Auffassung, eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung sei nur durch Einbau einer neuen Treppe möglich. Sie forderte hierfür einen Vorschuss zur Mängelbeseitigung i.H.v. 3.185,80 EUR. Die Gerichte gaben der Klägerin in sämtlichen 3 Instanzen Recht. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage der Mangelhaftigkeit war für den BGH § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB. Hiernach ist die Leistung eines Unternehmers nur dann vertragsgerecht, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit aufweist.
Die vereinbarte Beschaffenheit ergibt sich laut BGH
- nicht alleine aus der wörtlichen vertraglichen Vereinbarung, die hier eine Wangenstärke von 40 mm vorsah, die die Beklagte auch eingehalten hatte.
- Nach Auffassung des BGH verspricht der Unternehmer bei Vertragsabschluss stillschweigend die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik.
- Entspreche die vereinbarte Werkleistung diesen nicht, liege nach ständiger Besprechung regelmäßig ein Werkmangel vor (BGH, Urteil v. 31.4.2011, VII ZR 130/10).
Der BGH legte seiner Beurteilung das vor mehr als 10 Jahren veröffentlichte "Regelwerk handwerklicher Holztreppen" zugrunde. Hiernach muss die Wangenstärke einer Treppe grundsätzlich 50 mm betragen. Diese kann nach diesem Regelwerk auf bis zu 45 mm reduziert werden, sofern der Unternehmer die Gleichwertigkeit der Ausführung nachweist.
Beide von den Vorinstanzen zu Rate gezogenen Sachverständigen erklärt hierzu, dass eine Wangenstärkere von nur 40 mm, wie sie hier vorlag und auch vertraglich vereinbart war, dem Regelwerk und damit den anerkannten Regeln der Technik nicht gerecht würden. Im Einzelfall könne dennoch eine ausreichende Standsicherheit vorliegen, wenn der Unternehmer besondere Vorkehrungen getroffen habe. Diese Voraussetzungen waren laut Ausführungen der Sachverständigen vorliegend aber nicht gegeben.
Die BGH Richter machten deutlich, dass allein aus der Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik im vorliegenden Fall auf einen Mangel zu schließen sei. Der Beklagte habe es auch versäumt, darzulegen, auf welche Weise er trotz der Abweichung in der Wangenstärke für eine ausreichende Standsicherheit gesorgt habe. In diesem Fall müsse das Gericht der bloßen Behauptung, die Standsicherheit sei gewährleistet, nicht weiter nachgehen. Die Mangelhaftigkeit folge allein aus der Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik und dem Fehlen einer dezidierten Darlegung der Gründe, aus denen sich im konkreten Fall dennoch eine hinreichende Standsicherheit ergebe.
Nach Auffassung des BGH ist das Vertrauen des Auftraggebers auf die Einhaltung der allgemein anerkannten technischen Regelungen zu schützen. Dies gelte selbst dann, wenn vertraglich – wie hier – eine konkrete Wangenstärke vereinbart worden sei.
Zumindest wenn der Auftraggeber Laie sei, könne dieser nicht beurteilen, ob die vertraglich vereinbarte Wangenstärke den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspräche. Dies setze ein fachunkundiger Auftraggeber aber voraus. Nach ständiger Rechtsprechung dürfe der Auftraggeber sich ohne weiteres darauf verlassen, dass die vertraglichen Vereinbarungen dem handwerklichen Mindeststandard entsprächen (BGH, Urteil v. 20.12.2012, VII ZR 209/11). Der Seitens der Klägerin geforderte Vorschussbetrag war nach Auffassung des BGH Senats angemessen, da er die voraussichtlichen Kosten für eine neue Erstellung der Treppe nicht überstieg. Die Vorschussklage hatte damit Erfolg.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 7.3.2013, VII ZR 134/12.